© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/06 23. Juni 2006

Meldungen

Als Lesemenschen auf verlorenen Posten

WIEN. Nach einer britischen Lesestatistik haben vierzig Prozent aller erwachsenen Männer auf der Insel nie ein Buch in die Hand genommen. Und das, obwohl ihnen bekannt sein könnte, was die gleiche Statistik mit einer aufmunternden Zahl belegt: 85 Prozent aller Frauen finden bücherlesende Männer attraktiver als biertrinkende Fußballfans. Die britische Verlagsindustrie startete daher eine Marketing-Initiative, um lesefaule Männer vom Fernsehen oder aus dem Pub wegzulocken, damit sie durch eifrige Lektüre ihren Wert auf dem Paarungsmarkt steigern. Da die Initiative aber mit blonden Sonnenstudio-Schönheiten wirbt, "die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch kein Buch von innen gesehen haben", dürfte der Mißerfolg des Werbefeldzugs schon jetzt gewiß sein. Der in Birmingham als Dozent für Deutsche Kultur und Geschichte lehrende Uwe Schütte findet das "abgrundtief traurig" und knüpft daran Reflexionen über den Untergang des Abendlandes am "Ende des Buchzeitalters". Aufzuhalten sei diese Entwicklung nicht mehr, aber man solle persönlich mehr "Mut zum Kulturkonservatismus" zeigen. "Als Lesemenschen des Jahres 2006 stehen wir ohnehin auf verlorenem Posten" gegen die nicht nur während der Fußballweltmeisterschaft allgegenwärtige "Generalverdummung" (Literatur und Kritik, Mai 2006).

 

Minderheiten Opfer des großen Sprungs

BERLIN. Unter Chinaexperten gilt es zwar noch nicht als ausgemacht, daß das Reich der Mitte bis 2020 zur unumschränkte Hegemonialmacht Asiens und damit zum schärfsten Konkurrenten des derzeitigen "Welthegemons" USA aufsteigen wird. Aber eine Mehrheit von ihnen hält die Wahrscheinlichkeit für hoch, daß dieser "große Sprung" gelingen könnte. Zu den spannendsten Fragen zählt dabei, ob es vorher zu einem Systemwechsel kommen könnte. Patricia von Hahn ist sogar der Ansicht, daß sich die Anzeichen dafür mehren, da sie die innere Stabilität des Riesenreiches für gefährdet hält (Blätter für deutsche und internationale Politik, 6/06). Destabilisierend wirke sich nämlich der "aggressive Nationalismus" aus, mit dem die Pekinger Führung außen- wie innenpolitisch auf die sich auftürmenden sozialen Probleme des Landes reagiere. Ein Hauptherd kommender Unruhen könnte sich dabei im armen agrarischen Westen Chinas bilden, der von den zweistelligen Wachstumsraten in den südöstlichen Wohlstandsregionen kaum profitiere. Da im Westen zudem nennenswerte nationale Minderheiten leben - von denen allenfalls Kasachen, Uiguren und verschiedene andere Turkvölker wegen ihres moslemischen Glaubens bekannt sind -, die sich seit einiger Zeit einer massiven "Sinisierungspolitik" ausgesetzt sehen, seien nicht nur in Tibet die "Konflikteskalationen" mittlerweile an der Tagesordnung. Dies aber werde von westlichen Medien geflissentlich ignoriert.


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