© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/06 23. Juni 2006

Der Ball ist orange, die Tore blau und gelb: Roboter auf ihrer 10. Weltmeisterschaft
Lauter geklonte Ballacks
Markus Schleusener

Minoru Asada ist der oberste aller Robocup-Funktionäre, der Sepp Blatter des Robocup sozusagen. Bei der Eröffnungspressekonferenz versucht er es noch so zu erklären: Die iranische Regierung fördere die Entwicklung von Robotern gezielt - nicht zuletzt wegen der Erdbebengefahr. Genauso will seine eigene, die japanische Regierung seit dem verheerenden Erdbeben von Kobe (1995) Roboter konstruieren lassen, die eines Tages Menschen aus verschütteten Gebieten retten können.

Tatsache ist, daß die Iraner - und vor allem die verschleierten Iranerinnen - die Messe nicht nur visuell dominieren: Von den 440 Teams in Bremen, die zur mittlerweile zehnten Roboter-Weltmeisterschaft, dem Robocup, gekommen sind, stammen 97 aus dem Gastgeberland Deutschland und 59 aus dem Iran. Erst dann folgen Japaner und US-Amerikaner.

Es gibt viele iranische Mädchen in den Mannschaften und sogar sechs reine Mädchen-Teams. Verrückte Welt: Sie kommen aus dem Mullah-Staat, aus der angeblich rückständigen und frauenfeindlichsten Region der Welt und programmieren erstklassig, kennen sich mit der neuesten Technik mindestens so gut aus wie westliche Altergenossinnen.

Vier Arten - Kleine, Mittlere, Vierbeiner und Humanoide

Die Roboter treten in Bremen zur WM der besonderen Art an. Es gibt sie in vier Hauptkategorien: Kleine, Mittlere, Vierbeiner und Humanoide. Letztere sind den Menschen am ähnlichsten, aber auch am langsamsten. Es dauert schon mal eine Minute, bis ein menschenähnlicher Roboter mit Armen und Beinen einen Elfmeterschuß absolviert hat.

Viel bekannter sind dagegen die Vierbeiner. "Ach wie drollig, ach wie süß", war der Tenor, in dem die Boulevardpresse und nicht zuletzt auch der Robocup-"Medienpartner" ZDF über die hundeartigen Geschöpfe berichtet hat. Dabei gehören die Vierbeiner in Wirklichkeit zu einer aussterbenden Spezies. Denn der Hersteller Sony hat unlängst angekündigt, aus dem Geschäft aussteigen zu wollen.

Weil bislang nur der japanische Konzern diese Standardplattform produzierte, fand der Wettkampf nicht zwischen rivalisierender Technik statt, sondern zwischen den Programmen, mit denen die Vierbeiner gefüttert worden sind. Es ist so, als ließe man lauter geklonte Michael Ballacks gegeneinander antreten, die sich nur anhand ihres Intelligenzquotienten unterscheiden ließen.

Intelligenz ist auch das, was Hans-Dieter Burkhard von der Humboldt-Uni in der Berlin erforschen möchte. Der Vizepräsident der Robocup-Föderation sagt: "Es geht um mehr als Fußball. Wir haben das Problem der Intelligenz noch nicht richtig gelöst."

Zwar haben Wissenschaftler längst Computer entwickelt, die den Menschen im Schach besiegen können. Aber von einer so komplexen Sache wie einem erfolgreich absolvierten Fußballspiel sind die Forscher noch weit entfernt.

Visionäres Ziel 2050: Roboter gegen Menschen

"Die Menschen haben Hintergrundinformationen, die die Rechner nicht haben", pflichtet Ubbo Visser, der Chef des Organisationskomitees vom diesjährigen Robocup (der Robocup-Bekkenbauer), seinem Kollegen Burkhard bei. Ein Mensch weiß: Das kann kein Ball sein. Die kleinen Roboter wissen es nicht. Sie orientieren sich an Farben: Der Ball ist orange, die Tore blau und gelb. Trotzdem versenkt beim Robocup manchmal ein Roboter den Ball im falschen Tor. Oder die Roboter laufen alle auf ein Plakat zu, das einen orangefarbenen Hintergrund hat. Am schlimmsten war es, als eine Frau im orangefarbenen T-Shirt auftauchte. Jetzt folgten die Roboter dem beweglichen Ziel und ließen den richtigen Ball unbeobachtet.

Robocup-Chef Asada träumt zwar bereits davon, den Humanoiden bald eine "menschliche Hülle" zu verpassen. Trotzdem weiß er um die Problematik: "Der Mensch ist ein so kompliziertes Wesen. Es ist unglaublich schwer, ihn zu kopieren." Die Wissenschaftler haben sich viel vorgenommen. 2050 wollen sie soweit sein, daß Roboter gegen Menschen antreten und gewinnen können.

 

Vor dem letzten Spiel: Eine vom Aussterben bedrohte Roboterspezies, weil Nachwuchs und Ersatzteile auszubleiben drohen - Momentaufnahme von der 10. Roboter-Weltmeisterschaft in Bremen


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