© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/06 30. Juni 2006

Wildschweinbraten für Bush
Vorpommern: Angela Merkels Wahlkreis bereitet sich auf hohen Besuch vor
Steffen Königer

Noch zwei Wochen, dann herrscht in Vorpommern und der alten Hansestadt Stralsund der Ausnahmezustand. Seit dem 5. Mai bereitet sich der Wahlkreis von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den Besuch des amerikanischen Präsidenten George W. Bush vor, der vom 13. bis 14. Juli Vorpommern besuchen will.

Hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Landen wird Bush voraussichtlich in Rostock-Laage - dem einzigen Flughafen im weitem Umkreis, der für die Präsidentenmaschine Air Force One geeignet ist. Vor dort geht es mit dem Hubschrauber ins Nobel-Seebad Heiligendamm, wo Bush im Grand-Hotel eine Suite beziehen soll.

In der alten Hansestadt Stralsund herrscht derweil die Ruhe vor dem Sturm. In der Fußgängerzone und um das Rathaus ist wie immer zur Hochsaison reges Treiben zu beobachten. Noch hat die Handwerkerschaft nicht angefangen, Gullydeckel zuzuschweißen, wie im Februar 2005 in Mainz.

Als der amerikanische Präsident das letzte Mal Deutschland besuchte, wurden aus Sicherheitsgründen allein 1.300 Deckel der Kanalisation verschweißt. Zudem wurde die Innenstadt weitgehend abgesperrt. Mainzer Geschäftsleute klagten daraufhin auf 130.000 Euro Schadenersatz für entgangene Einnahmen.

Die Stralsunder Stadtverwaltung wollte den Mainzern in nichts nachstehen und plante, zumindest den Geschäften am alten Markt für vier Wochen zu untersagen, draußen Tische für Cafégäste aufzustellen - mitten in der Saison. Für Gaststättenbetreiber wie Heike Kragewski, die das Café am Markt betreibt, hätte das ein finanzielles Fiasko bedeutet: "Da können wir ja gleich ganz schließen." Vier Wochen in der Hauptsaison, das ginge nicht, und man habe dies auch der Stadt deutlich gemacht, sagt die 44jährige. "Die Mitarbeiter könnte ich dann wohl entlassen."

Der Protest war erfolgreich. Die Stadt ruderte zurück, und aus vier Wochen wurden vier Tage. Dennoch wird es weitere einschneidende Sicherheitsvorkehrungen geben, die viel Geld kosten. An dem Tag, an dem der Präsident die Stadt besucht, bleiben die Geschäfte geschlossen. Auch die Autos werden aus der Stadt verbannt. Nicht nur aus diesen Gründen haben die Bush-Gegner bereits Proteste angekündigt und eine eigene Internetseite eingerichtet (www.bush-in-stralsund.de)

Über Einzelheiten des Besuchsprogamms in der altehrwürdigen Stadt herrscht bislang Schweigen. Peter Koslik, Pressesprecher von Oberbürgermeister Harald Lastovka (CDU), gibt sich ahnungslos: Bislang wissen man noch gar nichts. Der Bürgermeister habe vorgeschlagen, dem Präsidenten das Rathaus, die Nikolaikirche sowie die Gorch Fock zu zeigen. Die erste Gorch Fock, ein ziemlich verrostetes Segelschulschiff aus den dreißiger Jahren, liegt im Hafen in Sichtweite der neuen Strelasundbrücke. Wahrlich ein Schmankerl für den Mann, der sich gern auf Schiffen der U.S. Navy ablichten läßt.

Mehr ist über einen anderen Programmpunkte bekanntgeworden. Der "mächtigste Mann der Welt" soll sich auch das ehemalige "Vorzeigedorf der DDR", Trinwillershagen, anschauen. Ein Ausflugsziel mit Tradition: In den sechziger Jahren machte sich SED-Chef Walter Ulbricht mit dem sowjetischen Flugzeugkonstrukteur Artjom Iwanowitsch Mikojan in der LPG "Rotes Banner" ein Bild von der "modernen, sozialistischer Landwirtschaft". Viele Schüler mußten sich im Staatsbürgerkundeunterricht mit diesem Besuch befassen.

Was Angela Merkel an Trinwillershagen, einem 1.300 Einwohner zählenden Dorf zwischen Stralsund und Ribnitz-Damgarten, so toll findet, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Sind es die verfallenen Ställe aus DDR-Zeiten mit typischer Wellasbesteindeckung? Oder doch der ehemaligen Appellplatz, auf dem drei Fahnen sich um ein Werbeschild für die "Kegelbahn" postieren?

Völlige Ratlosigkeit auch im Dorf: "Wir haben noch gar nichts gehört", sagt ein einsam radelnder Dorfeinwohner. Jedenfalls scheint Merkel an dem Ort zu hängen. In den vergangenen Jahren fanden bereits mehrere CDU-Landesparteitage im Kulturhaus des Dorfes statt. Und genau hierher, so wird berichtet, soll nun auch der hohe Staatsgast geführt werden. Vor dem Kulturhaus soll der Präsident der USA gemeinsam mit der deutschen Bundeskanzlerin ein eigens für ihn erlegtes und gegrilltes Wildschwein verspeisen.


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