© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/06 30. Juni 2006

"Wir sind nicht in Michigan"
Der Frieden ist entzweit: In Rom sorgt der Bau für den Augustus-Altar noch immer für Zündstoff
Paola Bernardi

Noch immer schweben Kräne über dem Neubau, noch dröhnen die Preßhammer Tag und Nacht, Lastwagen karren immer neues Baumaterial heran.  Staub wirbelt in der Luft, läßt das immerwährende Grün und die blühenden Oleanderbüsche auf dem gegenüberliegen Areal des Mausoleums des Augustus fahl erscheinen. Zwar stehen längst die Mauern dieses Monumentalwerkes mit ihrer gewaltigen Verglasung,  das der amerikanische Architekt Richard Meier  geschaffen hat, um den Friedensaltar des Augustus zu umhüllen. Doch noch immer  ist dieses gewaltige Bauwerk im Herzen von Rom längst nicht vollendet, obwohl seit 1996 daran gearbeitet wird. Es fehlen noch die Bibliothek und das Auditorium. Zweimal fand bereits eine offizielle Einweihung dieses Baus statt. Die letzte am 21. April dieses Jahres, dem "Geburtstag" von Rom.

 Doch die "Ara Pacis", der Friedensaltar des Augustus, den der Kaiser im Jahre 13 v. Chr. einweihte, scheint vorläufig keinen Frieden zu bekommen. Schon bei der Planung um die Neugestaltung gab es Ärger, als diese Richard Meier ohne wirkliche Ausschreibung zugeschlagen wurde. Zahlreiche Kongresse und Kolloquien gab es, in denen das Projekt dann thematisiert wurde. Vielen Römern ging es schon damals gegen den Strich, daß ausgerechnet ein Amerikaner den Zuschlag bekam, mitten im historischen Zentrum dieses prestigeträchtige Vorhaben durchzuführen. Überliefert ist der Satz des inzwischen verstorbenen Kunstkritikers Federico Zeri: "Meier kennt das antike Rom, so wie ich Tibet kenne."

Doch der postkommunistische Bürgermeister Walter Veltroni (gerade wiedergewählt) setzte sich durch, die alte Halle aus Mussolini-Zeiten abzutragen. Schließlich ging die Idee von seinem linksliberalen Vorgänger Francesco Rutelli aus. Nicht umsonst wurde seitdem das Augustus-Denkmal im Volksmund zum "Rutelli-Denkmal" umgetauft. Dabei sollte es ein Symbol des immerwährenden Friedens werden, sollte künden von der glanz- und friedvollen Zeit unter Augustus. Doch 2.019 Jahre später entzündet sich Tag für Tag eine neue Polemik angesichts dieses modernen Neubaumonsters mitten im Herzen der Altstadt von Rom. Längst ist der Riesenbau zum Zankapfel der italienischen Innenpolitik geworden. Während rechte Politiker immer wieder verkünden, sie würden diese "Wunde" im historischen Ambiente Roms nicht dulden, gebärden sich linke Politiker als die angeblich Fortschrittlichen, die für diesen Neubau kämpfen, egal wie viele Millionen Euro er auch weiter verschlingen wird.
 Die heftigen Debatten wollen auch jetzt nicht verstummen, je weiter die Vollendung voranschreitet. Die meisten Römer gehen weiterhin auf die Barrikaden. Immer wieder finden Demonstrationen vor diesem modernen Augustus-Museum statt. Tag für Tag trifft man nicht nur auf vereinzelte Protestler, die  mit hochgehaltenen Plakaten "Nieder mit der Ara Pacis", "Wir sind nicht in Harbor Springs und nicht in Michigan" vor dem Neubau stehen. Auch die ultrarechte Partei Fiamma Tricolore demonstriert und verteilt Flugblätter mit dem Text: "40 Millionen, um eine Verwüstung anzurichten".

Der große Bürgergroll der Römer über alle städtischen Unzulänglichkeiten im täglichen Leben der Ewigen Stadt scheint in diesem Bauwerk einen perfekten Auslöser seines Frusts gefunden zu haben. "Schwimmbad", "Krankenhaus", "Autobahnraststätte", so lauten die diversen Bezeichnungen für diesen Riesenbau. Es sind nicht nur die normalen Bürger Roms, die kritisieren und schimpfen, sondern auch aus Kreisen der internationalen Architekten wird harte Kritik geäußert. So sieht der renommierte Architekt Massimiliano Fuksas aus Rom in Meiers Bau "ein exemplarisches Fehl-Beispiel wie man eben nicht mit der Geschichte und moderner Architektur umgehen sollte".  Die ganze Planung sei von Anfang an schiefgelaufen, so Fuksas.  Der frühere italienische Präsident Francesco Cossiga wütete zornig bei seiner ersten Besichtigung: Dieses Bauwerk sei eine tiefe Beleidigung für jeden Geschmack und vor allem eine arrogante Anmaßung  gegenüber der Schönheit und Majestät Roms. Cossiga fühlt sich besonders betroffen, weil seine "Sonntagskirche" San Rocco, ein barockes Kleinod von Giuseppe Valadier, ebenso wie die angrenzende Nationalkirche der Kroaten,  San Girolamo aus dem 15. Jahrhundert, nun völlig von der weißen Wucht dieses Neubaues erschlagen werden.  Zudem wurde der prachtvolle Straßenstrahl der Via di Ripetta zerstört, der direkt auf die berühmte Piazza del Popolo führt. Die gesamte Harmonie dieses Ensembles ist verletzt worden.
 Während nun um die neue Umhüllung der "Kulturkampf" weiter tobt, bietet sich der fragile Riesenaltar selbst in voller Schönheit unangetastet den Besuchern dar. Es ist ein Meisterwerk römischer Bildhauerkunst. Diese Ara Pacis Augustae, die 13-9 v. Chr. vom Senat zu Ehren des aus Feldzügen in Gallien und Spanien gesund heimgekehrten Augustus errichtet worden ist, sollte den Nachkommen vom Augusteischen Zeitalter künden, gekennzeichnet von Ruhe und Wohlstand, Symbol für eine neue Epoche des Friedens.  Deshalb, so heißt es in den "Res gestae", im Rechenschaftsbericht des Augustes (in einer Kopie an der Außenwand des Neubaus), "beschloß der Senat als Weihegeschenk den Altar des Augusteischen Friedens auf dem Marsfeld zu errichten."

An den Außenmauern der Marmorumgehungen des Altars ist auf zwei langen Reliefbildern eine feierliche Prozession dargestellt. Es handelt sich vor allem um Mitglieder der wichtigsten Priesterkollegien und vier Erzpriester. Augustus und seine Gattin Agrippina flankieren die Seitenwände, ohne daß sie besonders hervorgehoben wurden. Die äußere Umfassungsmauer des Altars, der aus Carrara-Marmor errichtet wurde, weist herrliche Ornamente wie Blätter aus Efeu, Weinlaub und Lorbeer auf, dazwischen finden sich kriechende und fliegende Tiere. Von den Reliefs am eigentlichen Altar, den Löwensphingen bewachen, sind allerdings mehr als zwei Drittel verlorengegangen oder ruhen noch irgendwo in der Erde. Denn erst bei Stichgrabungen im 16. und später im 19. Jahrhundert wurden die einzelnen Reliefs wiederentdeckt.

Das verklärte Bild der Augusteischen Kunst erhielt seine entscheidende Ausprägung in den 1930er Jahren. Bei der Gestaltung des faschistischen Roms wurden die bedeutenden Monumente wie zum Beispiel das Mausoleum, das Marcellustheater und die Ara Pacis  wieder ins Bewußtsein der Bevölkerung gerückt. Zur Zweitausendjahrfeier des Augustusgeburtstages 1937 diente das Zeitalter des römischen Imperators den faschistischen Machthabern zur Ästhetisierung einer neuen Macht- und Herrschaftsideologie. Damals wurde nach einem Generalplan des Architekten Vittorio Ballio Morpurgo das historische Zentrum Roms am Rande des antiken Marsfelds großräumig zerstört. Das alte malerische Viertel wurde abgerissen und niedergewalzt, faschistische Fassaden umgeben seitdem den Platz, in dessen Mittelpunkt der Friedensaltar sowie das gegenüberliegende Grabmal des Augustus stehen. Eine große gläserne Halle umschloß dabei die Rekonstruktion der Ara Pacis und schützt sie bis heute vor Umweltschäden.

Nun hat der amerikanische Architekt Meier  sein eigenes bauliches Denkmal mit gewaltiger Verglasung - wie zuletzt im Burda-Museum in Baden-Baden - darübergestülpt.  Doch der Ehrgeiz der römischen Politiker scheint nicht zu bremsen, sie wollen noch mehr: So plant Bürgermeister Veltroni eine Unterführung, die den vorbeibrausenden Verkehr am Tiberufer ins Untergeschoß verbannen soll. Die Römer sollen dann auf einer Terrasse ihren Tiber "wiederentdecken". Darüber hinaus soll nun auch das gegenüberliegende Augustus- Mausoleum archäologisch aufbereitet - was man auch immer darunter versteht - und in das Meier-Ensemble mit eingegliedert werden. Zu erwartende Proteste werden sicher überhört werden. Denn der neue italienische Kultusminister heißt Francesco Rutelli. So schließt sich der Kreis.

Bild: Augustus-Altar, Nordfries, Prozession der Senatoren (Ausschnitt): ... der Altar selbst bietet sich in voller Schönheit dar


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