© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/06 07. Juli 2006

Meldungen

Wehner: ein Stratege der Wiedervereinigung

FRANKFURT/M. Auf dem Titelblatt der sozialdemokratischen Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte (6/06) trägt der schwer gebeugte "Onkel Herbert" außer seiner schweren Aktentasche auch noch die Last der Welt. Im Jubiläumsheft zu Herbert Wehners hundersten Geburtstag am 11. Juli, den er übrigens mit Carl Schmitt teilt, kommt der einstige "Zuchtmeister" der SPD indes überraschend schlecht weg. Das liegt offenbar nicht daran, daß Wehner als Politikertyp heute, da sich alle kulturpessimistischen Befürchtungen über die Verameisung des Parlamentarismus erfüllt haben, kaum noch vorstellbar ist. Vielmehr sind es wohl die "Enthüllungen" der letzten Jahre des "Kärrners", vornehmlich Hartmut Soells "Korrekturen" mit Blick auf die Moskauer Exilzeit, und Wehners unrühmliche Rolle als Denunziant gegen mißliebige Genossen während der "Säuberungen", die nun zu Bemerkungen wie der Wilhelm von Sternburgs führen: "Kein großer Demokrat ist er geworden, sondern ein innerlich lodernder, der Machtpolitik verfallener Mann. Letztlich so mitleidlos wie seine Zeit." Nur mit Mühe vermag Peter Pragal, der politische Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, dieses Bild des "Machtmenschen" aufzuhellen. Wehner sei keineswegs, wie schon Egon Bahr behauptete, sich als Machtmensch "selbst genug" gewesen. Tatsächlich war er ein politischer Stratege, der das wichtigste Ziel aller über aller "Taktik" nie aus den Auge verlor: die "Vereinigung der Deutschen".

 

Vertriebene: Opfer von Evakuierungen

STUTTGART. Seit langem empfiehlt sich der polnische Zeithistoriker Jan M. Piskorski als gedächtnispolitischer "Experte" in Sachen "Vertreibung". Auch ein Zeitgeistverstärker wie der Merkur gibt ihm daher gern das Wort, um über "Vertreibungen im 20. Jahrhundert" zu reflektieren (Heft 6/06). Um primär Polens Rolle als Vertreiberstaat zu minimieren, bietet Piskorski eine schon ritualisierte Argumentation. Zunächst wird Vertreibung als menschliches Schicksal anthropologisiert. Demzufolge waren Adam und Eva "die ersten Vertriebenen". Sodann erfolgt die Globalisierung, indem man den "Bevölkerungsaustausch" zwischen Indien und Pakistan oder sonstwo thematisiert. Läßt sich im "europäischen" Rahmen des "Problems" der ostdeutsche Ethnozid nicht mehr ignorieren, ist ein Feuerwerk an Relativierungen abzubrennen. Norman N. Naimark, Historiker mit Schwerpunkt Holocaust- und Genozidforschung an der US-Universität Stanford, hält etwa fest, daß "im Gegensatz zu allen anderen Fällen von ethnischen Säuberungen" bei den Deutschen nicht feststehe, ob sie wirklich Opfer und nicht Täter seien. Dann sind die konstitutiven Elemente des seit 1919 zwanzig Jahre währenden polnischen Staatsterrors gegen die deutsche Minderheit, "Aussiedeln und Berauben", zu verschweigen, um "Hitler und Stalin" als Erfinder "beider Methoden" zu präsentieren. Schließlich ist dreist zu behaupten, "drei Viertel" der zwei Millionen Vertreibungsopfer seien Opfer deutscherseits "völlig unvorbereiteter Evakuierung". Gnädigst läßt sich endlich einräumen, nur "die übrigen" seien Opfer "polnischer und tschechischer Vertreibungen".

 

Erste Sätze

Einige Wochen nach seinem dreißigsten Geburtstag erfuhr Martin Schäfer durch ein Schreiben des niederländischen Konsulats, daß seine Frau Anna, geborene van Leyden, mit einem gewissen Jan van Boukh verwandt gewesen sei und von ihm ein beträchtliches Vermögen und eine Villa in Haag geerbt habe.

Hans Georg Brenner: Fahrt über den See. Roman,  Berlin, 1934


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