© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/06 21. Juli 2006

Präsident als Gendarm
von Heinz Klaus Mertes

Der Berliner Gendarmenmarkt war beziehungsreich gewählter Schauplatz für eine stramme TV-Abreibung der großen Koalition durch den Bundespräsidenten. Wie ein strenger Ordnungshüter im Dienste des politischen Gemeinwohls äußerte sich Horst Köhler, und zwar drastisch. "Sandkastenspiele" statt Effizienz warf er in seinem national verbreiteten Sommerinterview der Bundesregierung vor. Sie ignoriere den Ernst der Lage und verunsichere die Bürger statt Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Recht hat er, der überparteiliche Wächter, insbesondere in ökonomischen Dingen.

Es ist ein Ärgernis, daß bloße parteipolitische Kompromißpolitik zur Staatsraison erhoben wird. Nicht nur eine wirkliche Reform des Gesundheitswesens bleibt auf diese Weise stecken. Mit dem, was die Bundesregierung der Großen Koalition bislang zustande gebracht hat, wird dem "Sanierungsfall Deutschland" (Merkel) nur höchst unzureichend zu Leibe gerückt.

Nur: Der Bundespräsident hat die Macht seines Wortes und damit seine Botschaft desavouiert. Seine Kritik war etwas zu plump und deutlich zu populistisch - wie schon seinerzeit, als er jene Neuwahl, die zu der sich selbst lähmenden Großen Koalition führte, mit dem generativen Verhalten der Deutschen begründete. So aber lassen sich die hammerharten Koalitionäre nicht ins Bockshorn jagen. Kühl ließ die Union die Köhler-Kritik ins Leere laufen, indem sie ihm flugs beipflichtete. Die SPD überging die Standpauke mit Schweigen. Jetzt ist erst einmal Sommerpause.


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