© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/06 21. Juli 2006

Virtuelle Sicherheit
Bundespolizei: Experten warnen vor Verwechslungsgefahr
Georg Pfeiffer

Mit Billigung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) tritt der private Sicherheitsdienst der Deutschen Bahn in Dienstuniformen der Bundespolizei auf. Nur das Hoheitszeichen der Polizeiuniformen ist durch einen Anstecker der Bahn ersetzt.

Die echten Polizisten finden das nicht lustig. So sagte der für die Bundespolizei zuständige Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Josef Scheuring: "Gerade das Auftreten und die Wahrnehmung von Polizei in einem demokratischen Rechtsstaat müssen frei von jeglicher Anmaßung und Täuschung sein. Experimente sind in diesem ganz wichtigen Demokratiebereich vollkommen unakzeptabel und wir gehen davon aus, daß der Bundesminister des Innern als Verfassungsminister das überhaupt nicht anders sehen kann." Das kann er offenbar doch, denn sein Ministerium hat ausdrücklich die Genehmigung erteilt und dafür extra auf Musterrechte für die neuen Uniformen verzichtet.

Mit ihrem gemeinsamen Vorgehen stellen Bahn und Ministerium in einer Art Etikettenschwindel Wachleute als (Quasi-)Polizisten vor. Dabei haben die zivilen Wachleute keinerlei hoheitliche Befugnisse. Sie dürfen noch nicht einmal einen Tatverdächtigen festhalten, wenn sie ihn nicht auf frischer Tat gestellt haben. Sie dürfen auch von niemandem die Personalien aufnehmen, wenn er sie nicht freiwillig herausgibt. Polizeibeamte haben solche Befugnisse sehr wohl. Sie dürfen außerdem Platzverweise erteilen, unmittelbaren Zwang ausüben und unter bestimmten Voraussetzungen auch von Schlag- und Schußwaffen Gebrauch machen. Tätlicher Widerstand gegen ihre Maßnahmen ist strafbar, selbst wenn diese rechtswidrig sind. Genau diese wichtige Grenze wird durch die staatlich genehmigte Mimikry absichtlich verwischt.

Die Polizeigewerkschaft erregt sich darüber zu Recht: Künftig wird kein Randalierer mehr wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt ernsthaft verurteilt werden können, wenn er nur glaubhaft macht, er habe den Polizisten für einen Wachmann gehalten, der seine Befugnisse überschreitet. Und das spricht sich sicher schnell herum. Mit der Ausschließlichkeit fällt auch der Schutz, den die Uniform ihrem Träger gewährt. Die Gewerkschaft der Polizei spricht deshalb von Amtsanmaßung und lehnt diese Praxis als eine "üble Täuschung der Bevölkerung" ab. In diesem Land werde schon genug getäuscht, sagte ihr Sprecher. Tatsächlich mag die Gleichheit der Uniformen gerade aufgrund der damit einhergehenden Täuschung das Sicherheitsgefühl der Passanten kurzfristig erhöhen und den Wachleuten ihren Dienst erleichtern.

Beamte erhalten weiße Mützen

Längerfristig dürfte sie den Respekt in der Bevölkerung vor Uniformträgern allgemein und hier besonders vor der Bundespolizei untergraben und deren Arbeit erschweren. Immerhin hat das Innenministerium auf den Unmut der Polizisten reagiert, will die Unterscheidbarkeit wieder dadurch erhöhen, daß sie die echten Polizisten mit weißen Polizeimützen ausstattet und auf der Uniform den deutlich lesbaren Schriftzug "Polizei" anbringen läßt. Wachleute tragen an dieser Stelle Aufschriften wie "DB Sicherheit". Am Kern des Problems ändert das nichts. Für Experten und Gauner ist der Unterschied sofort erkennbar. Der Bevölkerung wird mit dem nicht nur geduldeten, sondern gewünschten polizeimäßigen Auftreten der Wachleute eine Präsenz und eine Sicherheit suggeriert, die so nicht vorhanden sind.


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