© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/06 21. Juli 2006

Weltmarktführer ist auch ganz schön
Forschung: Deutschland rückt immer weiter von der Weltspitze ab / Über die Schwachstellen schwarz-roter Forschungsförderung
Oliver Busch

Auf dem grünen Rasen hat es Deutschland ja wenigstens zu einem Spitzenplatz als "Weltmeister der Herzen" gebracht. Auf den steinigen Äckern der Politik ist dieser Ehrentitel nicht erreichbar und auch sonst wird dort eher selten ein dritter Platz erkämpft. Auf dem Areal der Forschungs- und Entwicklungspolitik jedenfalls steht für lange Zeit nur ein Mittelfeldplatz im internationalen Wettbewerb fest.

Da hilft wenig, wenn Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) ihren ersten Haushalt bis 2009 um sechs Milliarden Euro aufstockt, die die Zukunft der Nation als Wissenschaftsland sichern sollen. Denn mit diesem Geld, so faßt Frank van Bebber den Chor der Schavan-Kritiker zusammen (Deutsche Universitätszeitung/Magazin, 5/06), könne das für 2010 in der Lissabon-Vereinbarung fixierte Ziel, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung (FuE) auszugeben, keinesfalls erreicht werden.

Damit werde nicht einmal der als Folge des "Aufbaus Ost" eingetretene Rückstand in der von Israel, Schweden, Finnland, Japan und den USA angeführten "FuE-Hitliste" aufgeholt. Vielmehr drohe die Gefahr, den Anschluß zu verlieren und sogar noch vom "Verfolgerfeld" überholt zu werden. Sechs Milliarden, gestreckt bis 2009, so Hariolf Grupp, Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik und -forschung an der Universität Karlsruhe, bedeuten keinesfalls eine von Schwarz-Rot eingeläutete Wende. Zumal die Länder weiterhin zu wenig zahlen, um Deutschlands technologische Leistungsfähigkeit zu steigern und die Wirtschaft als Dritter im Bunde dafür vielleicht sogar die falschen Weichen stellt.

Ein Drittel der Mittel fließt in den Automobilbau

Die FuE-Förderung der Wirtschaft konzentriert sich nämlich hierzulande zu stark auf die Automobilbranche, einen im wahrsten Sinne des Wortes "zweifelhaften Antriebsmotor". Dorthin fließt aber jeder dritte Euro der FuE-Ausgaben der Wirtschaft, im letzten Jahr stolze 15,9 Milliarden Euro. Von den 300.000 unter dem Dach der Wirtschaft Forschenden werden fast dreißig Prozent von den Autokonzernen bezahlt. Mit der Folge, daß die Spitzentechnologien wie Nano-, Bio- und Computertechnologie, die derzeit nach Einschätzung des jüngsten Berichts zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, weitaus größere Dynamik entwickeln als die Autoforschung, zu sehr ins Hintertreffen geraten. Im internationalen Vergleich fehle es daher an "wettbewerbsfähigen Alternativen zum Automobilbau". Das Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung wartet dazu mit der passenden Schreckenszahl auf: Ohne die eklatante deutsche FuE-Schwäche gäbe es in der Pharma-Industrie heute 35.000 Beschäftigte mehr.

Daß sich trotz aller Versäumnisse noch Chancen auftun, halten die Fraunhofer allerdings auch fest. Durch verbesserte Rahmenbedingungen ließen sich bis 2020 im Pharmasektor 27.000 Arbeitsplätze schaffen. Unumgänglich dafür sei aber, daß die Politik für Bürokratieabbau sorge und daß es zu einer effizienten Kooperation zwischen Industrie und Kliniken komme. Modellfunktion könnte dabei die Förderpraxis in der Lasertechnik übernehmen. 2002 wurden 280 Millionen für das Programm "Optische Technologien - Made in Germany" investiert, eine Initiative, die mit der Kampagne "Faszination Licht" selbst Pennäler für diese Technologie begeisterte. Dazu kam eine effektive Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen. Seitdem steigerte die Branche ihren Umsatz um sechzig Prozent und die Zahl der dort Beschäftigen verdoppelte sich. Dank der hohen Förderquote ist Deutschland in vielen Segmenten der Lasertechnik heute zwar nicht Weltmeister, aber Weltmarktführer.


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