© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/06 21. Juli 2006

Meldungen

Sprechblasen zur Krankheit Depression

WEINHEIM. Das August-Heft von Psychologie heute enthält ein ausführliches Interview mit der Berliner Psychologieprofessorin Birgit Rommelspacher zum Thema: "Was finden Jugendliche am Rechtsextremismus so attraktiv?" Diese Frage vermag Rommelspacher indes nicht zu beantworten, da sie sich über die "psychischen Gewinne" solcher adoleszenten Optionen selbst noch nicht informiert hat. Ihr analytisches Versagen erleichtert allerdings die Einstimmung auf das Hauptthema des Heftes: Die Depression als "Volkskrankheit". 2020 werde dieser seelische Defekt weltweit sogar die zweithäufigste Erkrankung sein, nur noch übertroffen von Herz-Kreislauf-Krankheiten. Die angebotenen Gegenstrategien sind indes ein Grund mehr, depressiv zu werden. Denn über vage Hinweise, die "richtige Therapie für den jeweiligen Patienten" finden zu müssen, oder die Depression einfach nicht als "krankhaftes Geschehen" einzustufen, kommt der Hauptbeitrag der geschäftsführenden Direktorin des Frankfurter Sigmund-Freud-Instituts, Marianne Leuzinger-Bohleber, nicht hinaus.

 

Menschenwürde und Leben im Mangel

BADEN-BADEN. Schlechte Aussichten eröffnet Knut Hinrichs allen, die beim Bundesverfassungsgericht in Sachen Hartz-IV Verfassungsbeschwerde eingelegt haben (Kritische Justiz, 2/06). Mit der Berufung auf die grundgesetzlich garantierte "Menschenwürde" werde man die im neuen Sozialgesetzbuch II festgeschriebenen niedrigen Regelsätze für Arbeitslose kaum als verfassungswidrig qualifizieren können. Denn schon die ersten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vor fünfzig Jahren hätten klargestellt, daß aus der Garantie der Menschenwürde nicht eine bestimmte Höhe der Grundsicherung abzuleiten sei. Die kantisch orientierte Idee des Menschen als Menschen, an der sich die Verfassungsväter 1949 orientierten, sei so abstrakt zu verstehen, daß sie ein Leben in Armut "gerade einschließt, soweit die Betroffenen sich noch als Rechtssubjekte wahrnehmen". Die Menschenwürdegarantie habe daher nie mehr als ein "Leben mit dem Mangel" umfaßt, und ein "gutes Leben", darüber werde Karlsruhe die Beschwerdeführer aufklären, verspreche das Grundgesetz nicht.

 

Kenneth Waltz: Tauglich für das 21. Jahrhundert

BADEN-BADEN. Gegen den "Neorealismus" von Kenneth Waltz als "herrschende" Lehre in der Theorie der Internationalen Politik haben Kritiker angesichts der Unipolarität der USA stets eingewandt, daß es keine Tendenzen zur Gegenmachtbildung gebe -Staatlichkeit im Zuge ökonomischer Globalisierung erodiere und überstaatliche terroristische Netzwerke ersetzten den Machtwettbewerb. Deshalb fehle dem "Neorealismus" für das 21. Jahrhundert "jegliche empirische Erklärungskraft". Gegen diese Kritik führt der am römischen "Nato Defense College" tätige Politologe Carlo Masala ins Feld, daß weder die internationale Lage zutreffend eingeschätzt werde noch die Komplexität der Waltz-Theorie verstanden sei (Zeitschrift für Politikwissenschaft, 1/06). Daß "Gegenmachtbildung" und "Balancierungstendenzen" nicht zu registrieren seien, stimme nur insoweit, wie es keine "offen konfrontative Politik" gegenüber den USA gebe. Legt man zur Bestimmung der Polarität im internationalen System nicht nur das militärische Machtpotential, sondern auch Kriterien wie Bevölkerung, territoriale Größe und Wirtschaftskraft zugrunde, dann werde die gegenwärtige Lage mit Werner Link besser als "multipolares System mit unipolarem Kern" beschrieben. Auch der Terrorismus als Gegenmachtbildung gegen die US-Nahostpolitik sei von fundamentalistischen Gruppen mit staatlicher Unterstützung (Iran) "asymmetrisch" organisiert worden, da dieser regionalen staatlichen Akteuren nicht möglich sei.


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