© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/06 21. Juli 2006

Deutschland im Tipfi eber: Immer mehr Teilnehmer bei Sportwetten
Spiel ohne Grenzen
Frank Liebermann

Eine Vielzahl von Branchen hat von der Fußballweltmeisterschaft profitiert. Brauereien, Hotels, Hersteller von Fanartikeln und die Unterhaltungsindustrie konnten sich über gigantische Umsätze freuen. Ganz besonders profitiert hat aber eine andere Branche: die Wettanbieter. Mit der WM haben sie allem Anschein nach in Deutschland den Durchbruch geschafft. Noch nie haben sich so viele Menschen an Wetten beteiligt, wie während der WM.

Thomas S. war sich ganz sicher, daß er nicht auf Brasilien als Weltmeister setzen würde. "Die Quote betrug 3.2, da gab es keine vernünftigen Gewinne. Deutschland war da viel besser. Mit einem Euro Einsatz hätte ich 9 Euro zurückbekommen". Oder auch nichts, wie wir inzwischen wissen, da Deutschland nicht Weltmeister geworden ist. Der 42jährige Inhaber eines Fitneßstudios kennt sich bei Sportwetten aus. Besser traf es Thomas bei seiner Prognose für Wimbledon. "Der Sieger konnte nur Roger Federer sein", lacht er fröhlich. Allerdings hatten das auch viele andere vermutet. Die Quote betrug nur 1.2, sprich für einen Euro Einsatz gab es nur 1.20 Euro zurück. Viele Wettbüros nahmen nach dem Halbfinale schon keine Wetten mehr auf Federer an, so daß nur noch die zum Zug kamen, die schnell genug auf den Schweizer setzten.

Jährliche Wachstumsraten von über 25 Prozent

Nach Angaben des Unternehmensberaters und Fachmanns für Internet-Wetten Jens H. Leinert betrug der gesamte Wettumsatz in Deutschland im Jahr 2005 knapp 33 Milliarden Euro, was einem durschnittlichen Wetteinsatz von 380,- Euro pro Bürger entspricht. Damit ist Deutschland zwar noch immer deutlich hinter Großbritannien mit einem Umsatz von 490 Euro pro Kopf, allerdings steigen die Umsätze kontinuierlich. Schon jetzt hängen über 30.000 Arbeitsplätze von dieser neuen Glücksspielform ab.

Neben Spielbanken, staatlichem Lotto (6 aus 49), lizensierten Lotterien (NKL, SKL), Geldspielautomaten, Online Casino und Poker repräsentieren die Sportwetten mit einem Anteil von circa 2,7 Milliarden Euro etwa 10 Prozent des gesamten Wettmarktes. Dabei wächst dieser Bereich mit jährlichen Wachstumsraten von über 25 Prozent überproportional.

Private Anbieter in Deutschland in einer rechtlichen Grauzone

Das Beispiel Fußball-WM bietet dafür ein eindrucksvolles Beispiel. So rechnete der Marktführer Betandwin mit über 100.000 neuen Kunden durch die WM. Und der Chef von Interwetten Heinz Patzelt frohlockte gegenüber dem Wirtschaftsmagazin Cash: "Für uns ist die WM wie ein 13. Monat". Gleichwohl ist in der Wettanbieterbranche derzeit noch ein hohes Maß an Diskretion angesagt, da der Bereich der Sportwetten - sofern er von Privatanbietern erfolgt - in Deutschland noch immer eine rechtliche Grauzone darstellt. So nimmt es nicht wunder, daß die betreffenden Zahlen divergieren. In einer Studie der zur Warburg-Gruppe gehörenden SES Research GmbH ist sogar von einem Sportwetten-Volumen in Höhe von insgesamt 3,8 Milliarden Euro die Rede, das 2005 in Deutschland generiert worden sei. Dabei liegt der Anteil des staatlichen Anbieters Oddset (engl.: odd - feste Gewinnquote, set - Einsatz) bei "nur" rund 400 Millionen Euro (in der Studie von Leinert ist von 482 Millionen die Rede).

Beide Werte zeigen indes eindrucksvoll, daß Oddset das Rennen gegen die privaten Anbieter von Sportwetten längst verloren hat. Diese können ihre Dienste in Deutschland zwar nur ausschließlich via Internet anbieten, erreichen dabei aber einen ungefähr doppelt so hohen Umsatz wie Oddset, wobei der Marktführer Betandwin in Deutschland allein circa 400 Millionen Euro umsetzt. Rund 500 Millionen Euro setzen private Wett-Büros um, von denen es allein in Berlin etwa 330 gibt.

Aufgrund des staatlichen Wettmonopols versuchen Berlin und die anderen Bundesländer immer wieder, die aus ihrer Sicht "illegalen" Wettbüros schließen zu lassen. Das aber dürfte nur in wenigen Fällen gelingen, da sich die privaten Anbieter gegen die Schließung wehren. Viele von ihnen verfügen über Wettlizenzen aus anderen EU-Ländern, die - nach europäischem Recht - in Deutschland gültig sind.

Obwohl es der Forderung des Europäischen Gerichtshofes nach einer Liberalisierung des Wettmarktes bis Ende 2007 zuwiderläuft, wurde jüngst auf einer Ministerpräsidentenkonferenz der Länder entschieden, am staatlichen Monopol und somit dem Verbot privater Wettanbieter festzuhalten. Dieser Entschluß, bekräftigt durch einen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2006, führte Anfang Juli beispielsweise dazu, daß der Bundesliga-Club Werder Bremen zu seinem ersten Testspiel ohne die Trikotwerbung seines Hauptsponsors Betandwin.de auflief.

Suchtgefahr - Unterschied zu anderen Krankheiten

Während die EU zum einen gegen das staatliche Monopol antritt, droht sie zum anderen - wie könnte das bei Brüssel auch anders sein ? - die Überregulierung zu befördern. So sollen Anbieter von Sportwetten künftig vor der Gefahr der Spielsucht warnen, ähnlich den Auflagen für die Zigarettenindustrie.

Ganz unbegründet sind die Sorgen um den Verbraucher allerdings nicht. Jeder kann heute von seinem Computer von zu Hause aus Wetten online abgeben. Das Internet ermöglicht es, mehrere hundert Wetten am Tag gleichzeitig abzuschließen. In wenigen Minuten können da ein paar tausend Euro weg sein. Durch verschiedene Tricks läßt sich im Internet auch auf Pump wetten. Die Rechnung kommt dann später. "Ich kenne Leute, die sitzen bis zu 15 Stunden am Tag am Computer und wetten auf alles", erzählt der eingangs erwähnte Thomas S. Der Kontrollverlust geht schleichend. Allerdings ist beim Wetten eines anders als bei anderen Süchten. Es ist zwar möglich, den Spieler von seiner Krankheit zu heilen, seine Schulden bleiben ihm allerdings auch nach der Therapie.

Doch auch wer nicht durch die Spielsucht gefährdet ist, sollte beim Wetten die nötige Sorgfalt aufwenden. Genauso wie sich die Preise von einem Paar Schuhen von Geschäft zu Geschäft unterscheiden können, verhält es sich bei den Sportwetten, weiß Thomas S.: "Die Quoten können sich dramatisch unterscheiden. Bei zwei verschiedenen Anbietern kann die Differenz bis zu 100 Prozent betragen". Der Grund hierführ ist banal: Jeder Buchmacher schüttet andere Beträge aus. Während der eine 90 Prozent seiner Einnahmen an die anderen Wetter abgibt, können es bei einem anderen Anbieter nur 60 Prozent sein.

Sportwetten im Internet (Auswahl): www.betandwin.de / www.wetten.de / www.starbet.de / www2.sportwetten-gera.de / www.eurosportwetten.de / www.mybet.com / www.sportwetten.de


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