© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/06 28. Juli / 04. August 2006

BRIEF AUS BRÜSSEL
Kriegshetze in Ankara
Andreas Mölzer

Seit Wochen schon verlegt die Türkei Truppen an die Grenze zum Nordirak. Ziel Ankaras ist es, in den Nachbarstaat einzumarschieren, um dort den "Terrorismus" zu bekämpfen. Bereits seit längerem dient das irakische Kurdengebiet, das über eine weitreichende Autonomie verfügt, als Aufmarschgebiet für die Kurdische Arbeiterpartei PKK, die von EU und USA als terroristische Organisation eingestuft wird. Nach Jahren der relativen Ruhe brach der Konflikt vor einigen Monaten wieder aus.

Nun scheint die türkische Regierung einen Grund gefunden zu haben, der einen Einmarsch in den Irak rechtfertigen könnte: den Krieg Israels gegen den Libanon. Die USA sind jedoch von den Plänen ihres Verbündeten alles andere als begeistert. Ein einseitiger Angriff auf den Irak sei "nicht klug", ließ der US-Botschafter in Ankara wissen. Eine Haltungsänderung der Türken konnte der Amerikaner nicht bewirken. Statt dessen verteidig-te der Türkenpremier Erdogan den Standpunkt seines Landes und meinte, es sei "inakzeptabel, daß dem einen Land Angriffe auf feindliche Ziele im Ausland erlaubt würden, der Türkei aber nicht". Mit keinem Wort erwähnt Ankara, wenn es um die angebliche Terrorbekämpfung in den kurdischen Gebieten geht, daß die Türkei ihre kurdische Minderheit schon seit Jahrhunderten unterdrückt.

Das EU-Polit-Establishment, das die Türkei um jeden Preis aufnehmen will, schwieg zu den offenen türkischen Kriegsplänen. Dabei wäre es ein Gebot der Stunde, die Beitrittsverhandlungen mit dem islamischen Land unverzüglich abzubrechen. Denn die Kriegsvorbereitungen Ankaras zeigen, was der EU droht, wenn die Türkei Mitglied wird: Europa würde in diesem Fall eher früher als später in die Konflikte des Nahen Ostens hineingezogen werden. Statt des angeblichen Sicherheitsgewinns, von dem die Erweiterungsfanatiker schwärmen, würde die EU zur Kriegspartei werden. Zu glauben, daß die EU Ankara von seinen Kriegsplänen abhalten könnte, entspringt dem Reich der Illusion. Wenn sich die Türken nämlich nicht einmal von ihrem Fürsprecher Washington von ihren Vorhaben abbringen lassen, warum sollten sie dann auf Brüssel hören?

Ein gutes Beispiel, wie Ankara mit seinen EU-"Partnern" umspringt, bietet die Verweigerung einer Überflugsgenehmigung für eine Maschine des österreichischen Bundesheeres. Weil diese Kriegsflüchtlinge aus dem Libanon von Zypern nach Wien bringen sollte, durfte sie den türkischen Luftraum nicht überfliegen. Wenn es also um die Zypernfrage geht, kennt die Türkei kein Pardon.

Für die EU steht in der Frage des Türkeibeitritts nicht nur ihre eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel, sondern auch ihr Verhältnis zur arabischen Welt. Denn die Türkei als Erbe des Osmanischen Reiches wird in den arabischen Ländern heute noch als Gegenpart gesehen. Ein türkischer Einmarsch könnte die bestehenden Ressentiments allzu leicht verstärken. Und die EU könnte sich, wenn sie aus der Kriegshetze Ankaras keine Konsequenzen zieht und die Beitrittsverhandlungen abbricht, die Gegnerschaft der arabischen Welt auf sich ziehen.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen