© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/06 11. August 2006

Vater der Mauerspechte
Vor zwanzig Jahren kämpfte der renitente Kanadier John Runnings mutig und tatkräftig gegen die Berliner Mauer
Monika Tantzscher

Wenn sich am 13. August der Bau der Berliner Mauer zum 45. Mal jährt, sollte auch der Menschenrechtskämpfer anderer Nationen gedacht werden, die mit ihren Aktionen gegen das todbringende Bauwerk die eigene Freiheit und körperliche Unversehrtheit aufs Spiel setzten. Unter ihnen brachte es John Runnings zu Weltberühmtheit, als er wie David gegen Goliath mit seinen schwachen Kräften und mit absonderlichen Hilfsmitteln gegen die Mauer antrat. "Es war eine selbstgezimmerte Holzleiter, die John Runnings auf die Berliner Mauer hinaufhalf. Und dann saß John Runnings - ein Bein im Osten und ein Bein im Westen - auf der Mauerkrone, auf dem eisernen Vorhang, auf dem Gipfel des Todesstreifens zwischen Berlin Ost und Berlin West. (...) Grenzen, Pässe, überhaupt alles, was Menschen einschränkt und behindert, waren John Runnings zuwider", schrieb die Welt am Sonntag anläßlich seines Todes am 25. Mai 2004. Die Berliner Zeitung würdigte ihn mit den Worten: "Der 'Mauerläufer' und 'Vater aller Mauerspechte' kämpfte für ein weltweites Menschenrecht, das Grenzen überflüssig macht. In Berlin verbrannte er seinen Paß; 32 Mal wurde er an der Mauer festgenommen. Als sich 1989 der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan für den Mauerfall feierte, widersprach Runnings: 'Ich habe es getan!'"

Wer war dieser etwas wunderliche, störrische alte Mann, dessen halsbrecherische Protestaktionen auf der Mauerkrone jedem den Atem stocken ließen? Geboren am 22. August 1917 in der kanadischen Provinz Manitoba als Sohn eines Malers, meldete er sich im Januar 1943 freiwillig zur kanadischen Armee und gelangte nach der Grundausbildung im englischen Stützpunkt Aldershot nach Deutschland. Erst Anfang 1946 kehrte er nach Kanada zurück. Nach der Entlassung aus der Armee arbeitete Runnings zunächst als Brandschutzmann, Landarbeiter und schließlich als Zimmermann in Vancouver. 1950 siedelte er nach Seattle, Washington, über und nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Ein Jahr später heiratete er die Sekretärin Luise Ann Griswold, mit der er vier Kinder hatte. Bis 1980, als er in Rente ging, war er in seinem Beruf in Seattle tätig.

Von den Eindrücken der Mauer war er wie elektrisiert

Aus den Vernehmungsprotokollen nach Runnings' Festnahme durch DDR-Grenzsoldaten am 4. Oktober 1986 lassen sich die Stationen seiner Einzelkämpferlaufbahn verfolgen. Seine öffentlichen Bekenntnisse und Aufrufe sowie westliche Presseberichte vervollständigen das Bild. Seit 1963 Mitglied einer Friedensgemeinde, nahm Runnings an Demon-strationen gegen den Vietnamkrieg und gegen U-Bootraketen teil. Nach seinen Aussagen war er ab 1978 insgesamt 33 Mal in den USA zu Bewährungsstrafen und mehreren Monaten Gefängnis wegen seines widerrechtlichen Eindringens in militärische und zivile Sperrgebiete verurteilt worden. So überkletterte er 1978 mit anderen Kriegs- und Rüstungsgegnern den Zaun einer Flottenbasis der US-Marine an der Pazifikküste der USA. Trotz eines angesetzten Prozesses wiederholte er diese Handlungen, um zu beweisen, daß er für seine Überzeugungen jede Strafe auf sich nimmt.

Mit seinen hochgesteckten Zielen für eine Welt ohne militärische Grenzen beschränkte sich Runnings jedoch nicht auf die USA. Sein Plan, 1978 mit einem Segelboot über das Schwarze Meer in sowjetische Hoheitsgewässer einzudringen, scheiterte im Vorfeld, da er letztlich nicht in den Besitz des ihm zum Kauf angebotenen Bootes gelangte.

So sann Runnings auf eine neue Her-ausforderung. In einer Petition an den amerikanischen Kongreß und zugleich an den Obersten Sowjet schlug er vor, daß beide Staaten im öffentlichen Fernsehen den höchsten Repräsentanten der jeweils anderen Regierung eine bestimmte Sendezeit einräumen. Mit 1.700 Unterschriften im Gepäck, befangen in der Vorstellungswelt des Bürgers einer westlichen Demokratie und vermutlich ohne die leiseste Ahnung von der Unbeeindruckbarkeit sowjetrussischer Bürokratie, reist Runnings 1985 nach Moskau. Er versucht zunächst vergeblich, in den Kreml vorzudringen. An das Außenministerium verwiesen, will ihm dort ein subalterner Beamter die Petition samt Unterschriftenliste abknöpfen, selbstredend ohne Empfangsbestätigung. Runnings lehnt ab und weigert sich, das Gebäude unverrichteter Dinge zu verlassen, bis ihn schließlich Milizionäre hinaustragen. Am folgenden Tag postiert sich Runnings auf dem Gorki-Prospekt, um Passanten mit seiner Bittschrift bekannt zu machen. Er wird vorübergehend festgenommen, begibt sich erneut zur Gorkistraße, wird abermals abgeführt, erhält "Zimmerarrest" im Hotel und wird schließlich des Landes verwiesen.

Wieder zu Hause an der US-Westküste, sieht Runnings eines Tages eine Fernsehsendung über die Berliner Mauer, die in ihrem Charakter als Scheidelinie zwischen zwei Weltmächten inmitten einer Großstadt alles übertrifft, was er bisher kennengelernt hat. Er ist "wie elektrisiert" von den Bildern und beschließt, nach Berlin zu fliegen. Später, nach seiner Verhaftung, von den Vernehmern nach den Motiven seiner Grenzprovokationen befragt, sagt er aus, er habe zeigen wollen, wie militärisch gesicherte Grenzen durch politische Aktionen angreifbar werden. Ihm sei bekannt, daß auf Grenzverletzer in der Vergangenheit geschossen worden sei. Jedoch gehe er davon aus, daß "eine solche Gewalt" gegen ihn nicht angewendet werde. Die DDR könne schließlich nicht daran interessiert sein, "durch bewaffnete Handlungen gegen einen Amerikaner Unruhe in ihre internationalen Beziehungen zu bringen".

Bevor Runnings nach Berlin reist, versucht er vergeblich, in den USA und danach in London Sympathisanten für seine "subversiven" Absichten zu gewinnen. Am 24. Mai 1986 fliegt er nach West-Berlin und nimmt im Hotel "Stuttgarter Hof" Quartier. In etwa 700 Flugschriften verbreitet er seine Auffassung von einem "dritten Weg" zum Frieden und wirbt für seine erste Aktion am Checkpoint Charlie am 31. Mai. Seine Idee, die in einem "massenhaften Pinkeln an die Mauer" zur Aufweichung ihrer Fundamente bestand, läßt jedoch vermutlich an der Ernsthaftigkeit seiner Zielsetzung berechtigte Zweifel aufkommen, denn niemand schließt sich ihm an. So wechselt Runnings die Seiten, begibt sich auf DDR-Territorium und erleichtert sich dort an einer Begrenzungsmauer am Übergang Friedrich-, Ecke Zimmerstraße. Angehörige der Grenztruppen drängen ihn daraufhin auf WestBerliner Seite zurück. Getreu seiner bekundeten Absicht, "von West nach Ost über die Berliner Mauer zu gehen", übersteigt er wenige Tage später mit Hilfe einer Metalleiter die Grenzbefestigung unweit des Checkpoint Charlie, woraufhin seine Festnahme und anschließende Übergabe an die US-Botschaft in Ost-Berlin erfolgt.

Nach seiner Abschiebung taucht er bis zum 5. August 1986 insgesamt 24 Mal am Checkpoint Charlie auf, verteilt Flugblätter, protestiert mit Transparenten und sammelt Spenden. Mit Hilfe des Leiters der Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V., Rainer Hildebrandt, organisiert er für den 7. August 1986 eine Pressekonferenz im "Stuttgarter Hof" und begibt sich anschließend zusammen mit den Journalisten sowie Fernsehteams des SFB und der US-Fernsehgesellschaft CBS zum Potsdamer Platz. Die Bilder über das weitere Geschehen flimmern wenig später über die Fernsehkanäle der ganzen Welt. Das Berliner Boulevardblatt B.Z. schildert den Vorgang anderntags mit folgenden Worten: "Gewandt kletterte er die 14 Sprossen der Leiter hoch, setzte sich - wie beim Pferd - auf die Mauerkrone. Dann balancierte er sich aus, setzte zuerst den linken, dann den rechten Fuß auf den schmalen runden Kamm - noch alles in der Hocke. Langsam aber sicher stemmten seine Oberschenkel den Körper in die Senkrechte. Dann ein dröhnender Schlag mit dem Hammer gegen die Betonröhre - es hallte doppelt wie ein Echo. Die Aktion John Runnings' hat Dutzende Touristen angelockt. Sie stehen sprachlos am Fuß der Mauer, sehen die Silhouette des Mannes vor dem wolkenlosen Himmel, der weiterhastete in Richtung Checkpoint Charlie." Runnings wird von DDR-Grenzsoldaten überwältigt und abgeführt, aber nur für einen Tag festgehalten. Die Langmut der sonst so unbarmherzigen Grenzwächter gegenüber dem Störenfried scheint unerschöpflich. Seine Renitenz erstreckte sich im übrigen auch auf die eigenen Landsleute: Als ihn Vertreter der US-Botschaft in Ost-Berlin über die Grenze bringen wollen, weigert er sich, in einem Diplomatenfahrzeug Platz zu nehmen.

Runnings lehnte vor Gericht jede Strafmilderung ab

Danach setzt er seine Angriffe gegen die Mauer unbeirrt fort. Zwischen dem 9. und 16. August 1986 soll er insgesamt 22 Mal in Erscheinung getreten sein, wobei er wiederholt östliches Territorium betrat, die Grenzmauer bemalte, den am Checkpoint Charlie verlaufenden weißen Farbstrich mit schwarzer Farbe überpinselte. Am 4. Oktober 1986 schwingt sich Runnings wieder über eine Leiter auf die Mauerkrone - diesmal in Begleitung eines jungen West-Berliners, des Sozialarbeiters Mirko Brahms. Beide werden von DDR-Grenzern heruntergeholt und festgesetzt. Doch während Runnings schon bald durch Vertreter der US-Botschaft nach West-Berlin zurückbefördert wird, eröffnet man gegen Brahms ein Ermittlungsverfahren. Diese Ungleichbehandlung mobilisiert Runnings zu verzweifelten Aktionen. Am 25. Oktober dringt er im Laufschritt mit einem würfelförmigen Transparent in DDR-Territorium ein, wird dort von Grenzsicherungskräften zu Fall gebracht und - da er sich weigert, in den Westsektor zurückzukehren - weggetragen. Diesmal nimmt man Runnings in Untersuchungshaft. Man fordert ihn auf, den DDR-Behörden bestimmte Zusicherungen zu machen, doch Runnings verweigert jede Kooperation und tritt schließlich in einen mehrtätigen Hungerstreik. Erst nach einem bewilligten Zusammentreffen mit Mirko Brahms zeigt sich Runnings aufgeschlossener. Am 7. November 1986 wird er aus der DDR ausgewiesen, das Ermittlungsverfahren eingestellt. Nach Kontakten zwischen der Bundesregierung und der DDR kommt auch Mirko Brahms wieder frei.

Doch entgegen seiner Zusicherung, in die USA zurückzufliegen, läßt Runnings sein Freiticket verfallen und kehrt von Frankfurt/Main per Eisenbahn nach West-Berlin zurück. Erneut verkündet er vor Journalisten seine Absicht, die "unmenschliche Mauer" einzuschlagen. Am 18. November 1986 bietet er zum letzten Mal sein akrobatisches Meisterstück mit dem Vorschlaghammer. Diesmal aber stürzt Runnings, als er von Grenzsoldaten heruntergezerrt wird, auf den Mauersockel und zieht sich schmerzhafte Verletzungen zu. Den DDR-Grenzwächtern ist nun endgültig die Geduld mit dem notorischen "Rückfalltäter" geplatzt. Noch am gleichen Tag unterzeichnet Generalmajor Fister, Leiter der Hauptabteilung IX (Untersuchung) des Ministeriums für Staatssicherheit, die Verfügung an den Generalstaatsanwalt der DDR um Erlaß eines richterlichen Haftbefehls. Der Generalstaatsanwalt stimmt prompt zu.

Öffentlicher Protest gegen Runnings' Inhaftierung regt sich nur vereinzelt. So postiert sich der ehemalige DDR-Bürger H.-J. Icke am 28. November mit einem Plakat am Checkpoint Charlie, und am 4. Dezember besteigen zwei junge Männer in Berlin-Kreuzberg die Mauer, von denen einer von DDR-Grenzern heruntergezogen und abgeführt wird.

Am 18. November 1986 wird gegen Runnings ein Ermittlungsverfahren gemäß Paragraph 213 (1) (3) Ziffer 5 StGB (ungesetzlicher Grenzübertritt im schweren Fall) eingeleitet. Aus seinem mitgeführten Besitz zieht das MfS mehrere englisch- und deutschsprachige Aufrufe ein, mit dem Kommentar, Runnings habe "diese unter anderem die Staatsgrenze diffamierenden Flugschriften" hergestellt, "um durch ihre Verteilung Personen zu Provokationen gegen die Staatsgrenze der DDR aufzuwiegeln, weshalb diese Schriften eine andauernde erhebliche Gefahr für die Ordnung und Sicherheit an der Staatsgrenze der DDR darstellen." Runnings läßt seine Vernehmer wissen, daß er für seine bewußten Handlungen "jede Strafe in Kauf nimmt" und daher auch keinen Verteidiger benötige. Mit der US-Botschaft lehne er jeden Schriftverkehr und andere Kontakte ab. Danach verfällt er in Schweigen. Trotz großer Schmerzen, über die er sich beklagt, lädt man ihn ungerührt am nächsten Tag wieder zu einer siebenstündigen Vernehmung vor, ohne daß Runnings den Mund öffnet. Erst am darauffolgenden Tag beginnt er, die Stationen seines Werdegangs zu schildern, nutzt das Verhör geradezu als Forum für die Propagierung der Ideen des gewaltlosen Widerstands, schmückt seine Darlegungen mit Anekdoten und Gleichnissen. Danach gönnt man ihm zwei Tage Ruhe.

Runnings hatte zwar bei dem Sturz aus fast vier Metern Höhe keine Knochenbrüche oder andere schwerere Verletzungen erlitten, jedoch wurde bei ihm eine Lungenentzündung diagnostiziert und im Haftkrankenhaus behandelt. Bei den weiteren Vernehmungen über seine Pläne nach der Haftentlassung befragt, antwortet er, daß er seine Kampagne gegen die Berliner Mauer fortsetzen werde. Sollte er aber nach den USA ausgewiesen werden, so werde er versuchen, etwas für seine jetzigen Mithäftlinge zu tun.

Er überlebte den Mauerfall von 1989 noch um 15 Jahre

Nach knapp drei Monaten Untersuchungshaft wird Runnings im Stadtbezirksgericht Berlin-Lichtenberg der Prozeß gemacht. Die öffentliche Hauptverhandlung findet am 16. Februar 1987 statt. Vorsitzender Richter ist Wetzenstein-Ollenschläger. Ein bestellter Rechtsanwalt wird Runnings zur Seite gestellt. Als Beobachter nimmt US-Generalkonsul James Huffman an dem vier Tage dauernden Prozeß teil. Die Anklageschrift listet auch Runnings' bisherige Festnahmen auf und betont die "Großzügigkeit" der zuständigen DDR-Organe, die bis dahin keine strafrechtlichen Sanktionen gegen ihn ergriffen hätten. Die psychiatrische Begutachtung des Beschuldigten habe ergeben, daß er strafrechtlich voll verantwortlich sei. Staatsanwalt Heyer fordert eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit anschließender Ausweisung. Der bestellte Anwalt hält dagegen, daß die Grenzverletzungen vor Runnings' letzter Aktion nicht rückwirkend in Betracht gezogen werden dürften, daß er im Grunde kein Feind der DDR sei und nicht imstande, die besondere Lage in Berlin einzuschätzen. Er beantragt, den Haftbefehl aufzuheben und Runnings rasch in die USA auszuweisen. Doch Runnings fällt seinem Anwalt in den Rücken und lehnt eine Strafmilderung ab. Das "letzte Wort des Angeklagten" gerät zu einem Aufruf zur Vernunft, zu einem Appell an Gorbatschow und Reagan zur Vermeidung militärischer Konflikte, zur "Rettung der Gattung Mensch".

Drei Tage später, am 19. Februar 1987, erfolgt die Urteilsverkündung. Darin heißt es, daß "durchaus eine Freiheitsstrafe wegen schweren Vergehens angemessen" sei, jedoch das "tatbestimmende Motiv des Angeklagten nicht einer Feindschaft gegen Staat und Gesellschaft der DDR" entsprungen sei, "sondern in erster Linie Ergebnis mehr oder minder irrealer Vorstellungen, losgelöst von allen gesellschaftlichen und politischen Realitäten". Hinzu komme sein "übersteigertes Geltungsbestreben". Das Gericht habe daher auf eine Strafe ohne Freiheitsentzug erkannt und eine Bewährungszeit von drei Jahren auferlegt.

Runnings wäre nicht Runnings, hätte er dieses Urteil respektiert. Am 23. Mai 1989 trifft er wieder in Berlin ein und startet eine Reihe öffentlichkeitswirksamer Aktionen, seine Festnahme und den Antritt der zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafe bewußt provozierend. Er verbreitet Flugblätter und marschiert an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit einem Stapel westdeutscher Tageszeitungen durch den Checkpoint Charlie, angeblich um sie DDR-Offizieren zu überreichen, damit diese "für Presse- und Redefreiheit im Osten werben". Am 31. August 1989 gibt das Lagezentrum der Hauptabteilung XXII (Terrorabwehr) des MfS an Generalleutnant Schwanitz und einige zuständige Diensteinheiten die Meldung durch, daß Runnings sein angekündigtes Vorhaben, mit einem selbstgebauten hölzernen Rammbock die Mauer symbolisch zu attackieren, am 1. oder 2. September verwirklichen will. Das rot angestrichene Ungetüm mit jeweils sieben schwarzen Schlaufen an jeder Längsseite und einem geschnitzten Widderkopf an der Spitze, das heute im Mauermuseum zu besichtigen ist, wird jedoch von der West-Berliner Polizei beschlagnahmt.

Einen Tag nach dem Fall der Mauer - Runnings ist inzwischen in seine Heimat zurückgekehrt - titelt die Seattle Times vom 12. November 1989: "Victory, six arrests later, for Seattle's Berlin Wall Walker". Im Mai 1990 reist der Mauerläufer ein letztes Mal nach Berlin. Das Objekt seiner Protestaktionen ist hinweggefegt. Für Runnings kein Grund zum Nachlassen: "Der 72jährige legte sich quer auf die Friedrichstraße und behinderte den Verkehr", berichtet das Volksblatt vom 23. Mai. "Mit seinem Begleiter verbrannte er dann die Pässe. Er wollte mit dieser Aktion für eine Welt ohne militärische Grenzen demonstrieren. Das Duo wurde von DDR-Grenzern dem medizinischen Dienst in Ost-Berlin übergeben ..."

Foto: Runnings gegen die Mauer, Berlin, Potsdamer Platz am 7. August 1986: Nimmt jede Strafe in Kauf, John Runnings (1917-2004)


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