© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/06 18. August 2006

Wink mit dem Zaunpfahl
von Curd-Torsten Weick

Fast täglich sind die Schreckensbilder aus dem Irak in den Nachrichten zu sehen: Mindestens 57 Tote bei Attentatsserie, über 150 Verletzte. Tote bei Selbstmordanschlag auf das Büro einer führenden Kurden-Partei. Mehr als 35 Tote bei Anschlag auf Schiiten-Schrein. Über 27 Tote bei schweren Kämpfen im Bagdader Schiitenviertel Sadr City. Neun Polizisten getötet, 30 verletzt, heißt es dann lapidar. Doch schaut und hört überhaupt noch jemand zu? Seit Wochen richtet sich der Blick in Richtung Israel und Libanon. Der Irak scheint fern. Doch spätestens wenn in Sadr City Zehntausende Menschen aus Solidarität mit der Hisbollah-Miliz im Libanon auf die Straße gehen schließt sich der Kreis. Die verschiedenen Krisenherde wachsen zu Huntingtons Kampf der Kulturen zusammen - könnte man meinen.

Ein genauerer Blick beweist jedoch Gegenteiliges. Die grausame Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten, Arabern und Kurden vermittelt in zunehmendem Maße ein verwirrendes Knäuel der Interessen. Ein Knäuel, das auch die Besatzungsmächte wenig entwirren können. Washington und London stehen vor einem Desaster.

Da wirkt das letzte offizielle Telegramm des scheidenden britischen Botschafters im Irak, William Patey, schon wie ein Wink mit dem Zaunpfahl: "Die Aussicht auf einen Bürgerkrieg von geringer Intensität und eine faktische Teilung des Irak ist derzeit wahrscheinlicher als ein erfolgreicher Übergang zu einer stabilen Demokratie." Hört ihn jemand?


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