© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/06 18. August 2006

Weg in die Sackgasse
Dresdner Elbtal: Streit um Waldschlößchenbrücke hält an
Paul Leonhard

Nicht einmal die Dresdner Taxifahrer sind sich einig. Während sich die einen mit einem Hupkonzert für den Bau der sogenannten Waldschlößchenbrücke stark machen, halten andere die neue Elbquerung für geschäftsschädigend: "Denn jetzt fahren wir größere Runden." Gespalten ist auch die Bevölkerung der sächsischen Landeshauptstadt. Stimmte im Februar 2005 noch eine Zweidrittelmehrheit der zum Bürgerentscheid gegangenen Dresdner für den Neubau über die Elbe, so befürworten jüngsten Umfragen zufolge nur noch 47 Prozent die Errichtung des 140 Meter langen und 160 Millionen Euro teuren Bauwerkes, das die Innenstadt vom Verkehr entlasten soll und für das bereits knapp 28 Millionen Euro ausgegeben wurden.

Ursache für den Meinungsumschwung ist vor allem die Drohung der Unesco, dem Dresdner Elbtal den Status als Stätte des Weltkulturerbes abzuerkennen. Denn gerade wegen des über Jahrhunderte gewachsenen harmonischen Dreiklangs aus Stadt, Land und Fluß war dieser im Sommer 2004 der Stadt verliehen worden. Ein Jahr später aber beschlossen die Dresdner, ausgerechnet an der breitesten Stelle der innerstädtischen Elbauen eine Brücke zu errichten.

Zwar wurde die Unesco über dieses Vorhaben unterrichtet, aber nicht korrekt. In den eingereichten Unterlagen befand sich die geplante Brücke an einem ganz anderen Ort. Als das herauskam, beauftragte die Unesco die Technische Universität Aachen mit einem Gutachten zur Beurteilung des Standortes Waldschlößchen. Das Ergebnis fiel für die Brückenbefürworter verheerend aus. Der geplante Neubau passe nicht "in die Kette der Dresdner Stadtbrücken" und würde den zusammenhängenden Landschaftsraum des Elbbogens an der empfindlichsten Stelle irreversibel in zwei Hälften teilen.

Die Entscheidung, Dresden nur zwei Jahre nach seiner Anerkennung als Welterbe bereits auf die Rote Liste zu setzen, sei für das Komitee nicht einfach gewesen, schreibt Mechthild Rössler, Europa- und Nordamerika-Chefin im Welterbezentrum in Paris, in einer Stellungnahme. Die Aufnahme des Dresdner Elbtals sei nicht nur eine Bestätigung dessen universellen Wertes, sondern auch eine internationale Verpflichtung. Deutlich drohte das Welterbe-Komitee im Juli in Vilnius an, Dresden den Titel abzuerkennen, falls es mit dem Bau der Brücke beginne.

Daß die Dresdner mit der Aufnahme als Stätte des Weltkulturerbes auch einen Teil ihrer Souveränität aufgegeben haben, übersehen sie heute gern. So kommt der Dresdner Völkerrechtler Ulrich Fastenrath in seinem Gutachten zu der Auffassung, daß die Vergabe von Bauleistungen unter den gegenwärtigen Umständen rechtswidrig wäre. Deutsche Gesetze müßten völkerrechtskonform angewandt werden.

Die Dresdner Rathausspitze beharrt ihrerseits darauf, daß allein der Bürgerentscheid für sie bindend sei. Prompt legte der parteilose Bürgermeister Lutz Vogel, der den wegen eines Korruptionsprozesses vom Amt suspendierten Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) vertritt, erneut Widerspruch gegen einen Stadtratsbeschluß von vergangener Woche ein. In diesem hatte eine Mehrheit aus SPD, Bündnisgrünen und Linkspartei - wie bereits drei Wochen zuvor - festgelegt, daß vorerst keine Bauleistungen für die Brücke vergeben werden.

Damit stehen im Brückenstreit die Fronten unverrückt. Von einem "typischen Dresdner Weg in die Sackgasse" spricht Werner J. Patzelt, Politikprofessor an der TU Dresden: Jeder beharre auf seinem Standpunkt, keiner sei kooperationswillig. Es sei ein Treppenwitz der Geschichte, daß die gleichen, die das Welterbe beantragt hätten, auch den Bau der Brücke verlangen, findet Albrecht Leonhardt, Stadtrat der Bürgerfraktion. Offen ist, ob der amtierende Bürgermeister Vogel dem Stadtratsauftrag nachkommt, mit der Unesco zu verhandeln und "geeignete Maßnahmen" vorzuschlagen, damit der Weltkulturerbe-Titel nicht verlorengeht. Eine könnte der Bau eines Tunnels sein. Oder aber das Regierungspräsidium Dresden als Rechtsaufsichtsbehörde entscheidet, ob die Elbquerung gebaut wird oder nicht. Für viele Stadträte und besonders für die untereinander heillos zerstrittene Dresdner CDU wäre letzteres die bequemste Lösung.


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