© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/06 18. August 2006

Verwünscht, doch nicht bedroht
Islamisten: Kein Prozeß gegen Betreiber des Internetportals "Muslimmarkt"
Claudia Hansen

Das Landgericht Oldenburg hat die Fortsetzung eines Verfahrens gegen die Betreiber der radikal-islamischen Internetseite "Muslimmarkt" abgelehnt. Nach Ansicht des Gerichts stellt ein dort von dem türkischstämmigen Ingenieur Yavuz Özoguz publizierter Text keinen Mordaufruf gegen den Orientalisten Hans-Peter Raddatz dar. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt und strebt weiterhin einen Prozeß an.

"Wenn der Islam so ist, wie Raddatz es immer wieder vorstellt, dann möge der allmächtige Schöpfer alle Anhänger jener Religion vernichten! Und wenn Herr Raddatz ein Haßprediger und Lügner ist, dann möge der allmächtige Schöpfer ihn für seine Verbrechen bestrafen und diejenigen, die trotz mehrfacher Hinweise auf die verbreiteten Unwahrheiten von Raddatz immer noch darauf bestehen, auch." Diesen als "Gebet" bezeichneten Text hatte Özoguz am 12. September 2005 veröffentlicht. Mehrere bekannte Islamwissenschaftler wie der Göttinger Professor Tilman Nagel sahen darin einen Mordaufruf, mindestens aber eine massive Drohung.

Das Oldenburger Gericht folgte aber einer anderen Interpretation. Ein Gutachten des Bundeskriminalamtes habe ergeben, daß der Text eine "Mubahala" darstelle, eine im arabisch-islamischen Kulturkreis übliche Verwünschungsformel. Sie "impliziere den Wunsch, denjenigen, der im Unrecht sei, mit der Bestrafung Gottes zu verfluchen", sei jedoch nicht als Aufruf zu Gewalthandlungen zu verstehen. Daher seien die Tatbestandsmerkmale einer Drohung nach deutschem Recht nicht gegeben, so das Gericht. Weiter monierte es, daß Raddatz' Gutachter grundsätzlich von einem Gewaltpotential im Islam ausgingen.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wurde bei der Entscheidung zur Einstellung des Verfahrens gegen Özoguz ein Gutachten eines Experten vom baden-württembergischen Verfassungsschutz nicht genügend berücksichtigt. Vor dem Hintergrund der politischen Agitation von Özoguz sei die Interpretation seines Textes als harmlose Verwünschung abwegig. Die sich selbst als "fundamentalistische Muslime" bezeichnenden schiitischen Brüder Özoguz sind als Anhänger der Hisbollah bekannt. Ihre Internetplattform bietet eine Mischung aus muslimischer Lebensberatung, Kontaktbörse und politischem Forum. Verfassungsschutzämter werfen dem "Muslimmarkt" antisemitische Tendenzen vor.

Der von Özoguz angegriffene Raddatz hat sich mit Büchern wie "Von Gott zu Allah" und "Von Allah zum Terror" als scharfer Kritiker des Islam einen Namen gemacht. Er erhält immer wieder anonyme Drohungen, zeitweilig lebte er unter Polizeischutz. Nach dem Mord an dem niederländischen Filmemacher Theo van Gogh schrieb Raddatz, der Islam kenne eine "Pflicht zur Gewalt" gegen Andersgläubige. Die Berliner taz kritisierte daraufhin, Raddatz unterscheide sich "in Argumentation und Wortwahl in nichts von rechtsextremistischen Publikationen". Dagegen klagte der Orientalist vergeblich. Wie das Landgericht Wiesbaden letzte Woche entschied, ist die Aussage des taz-Autors Eberhard Seidel von der Meinungsfreiheit gedeckt.


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