© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/06 01. September 2006

Bibliothek wurde zur Festung
Amerika-Haus schließt
Werner Olles

Es war das erste seiner Art in Deutschland. Ein Jahr, nachdem die 5. US-Infanteriedivision und die 6. US-Panzerdivision in den letzten Märztagen 1945 nach nur symbolischem Widerstand das zerbombte Frankfurt am Main eroberten, eröffnete im Westend das Amerika-Haus seine Pforten. Nach sechzig Jahren ist es nun Ende August endgültig geschlossen worden. Mag man heute zu den USA und ihrer Politik stehen, wie man will - daß das Amerika-Haus vor allem in den fünfziger Jahren eine kulturelle Institution darstellte, deren Anziehungskraft auf junge Leute beträchtlich war, wird niemand leugnen, der diese Zeit bewußt miterlebt hat.

Es war vor allem die hervorragende Bibliothek, in der die an amerikanischer Literatur interessierten Leser fündig wurden: John Steinbeck, Jack Kerouac, Arthur Miller, Eugene O'Neill, Tennessee Williams, Thornton Wilder,John Dos Passos, Theodore Dreiser, William Faulkner. Für das kritische Denken einer Generation, die wenige Jahre später voller Zorn gegen dieselbe Institution anrannte, bedeuteten diese Namen, als sich erahnen läßt. Hatte man noch Anfang der Fünfziger dem Hollywood-Star Gary Cooper zugejubelt, als dieser zur Premiere von "High Noon" nach Frankfurt kam, und war US-Präsident John F. Kennedy zehn Jahre später auf dem Römerberg begeistert gefeiert worden, schlug die Stimmung mit der Eskalation des Vietnam-Krieges radikal um.

Das Amerika-Haus wurde nun zum erklärten Ziel gewalttätiger Attacken der linksradikalen APO. Einer, der damals auch dabei war, der 2002 verstorbene Kabarettist Matthias Beltz, gestand viele Jahre später, eigentlich habe er gar nicht so genau gewußt, warum er dort die Fensterscheiben eingeworfen habe, wegen des Vietnam-Krieges oder aus Frust, weil die Gaby mit ihm Schlußgemacht hatte.

Später normalisierte sich das Verhältnis der Frankfurter zu "ihrem" Amerika-Haus, Ausstellungen und Konzerte wurden wieder gut besucht. Die Anschläge vom 11. September 2001 auf das New Yorker World Trade Center machten das gastfreundliche Haus dann zu einer Festung. Die meisten werden seine Schließung, die unter anderem auch einer Rivalität zwischen der Berliner US-Botschaft und dem Frankfurter Generalkonsulat zu verdanken ist, wohl kaum bemerken.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen