© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/06 08. September 2006

Mentalitätswandel
von Detlef Kühn

Wieder einmal möchten einige Bundestagsabgeordnete wissen, ob die derzeitige Aufteilung der Bundesministerien auf Berlin und Bonn wirklich zu verantworten ist, ob nicht eine Konzentration auf die Hauptstadt billiger käme. Dabei geht es - wie meist - gar nicht um Geld, sondern nur um das, was man wirklich will. Natürlich wäre ein Regierungssitz der kurzen Wege effektiver und billiger als der "Beamten-Shuttle" vom Rhein an die Spree und umgekehrt mit Tausenden von Dienstreisen im Jahr. Das weiß jeder Pförtner in einem Ministerium. Aber vor allem wäre er ein Signal, daß die Bundesrepublik wirklich im wiedervereinigten Deutschland angekommen ist und nicht mehr den angeblichen Vorzügen der "alten" Bundesrepublik mit ihrer gemütlichen kleinen Hauptstadt am Rhein nachtrauert.

Als 1991 im Bundestag die knappe Entscheidung für den Sitz von Regierung und Parlament in Berlin fiel, wie man es früher immer versprochen hatte, scheuten die "Bonn-Freunde", die in Union und SPD die Mehrheit der Abgeordneten stellten, den Eindruck, das östlicher gelegene Berlin könne als Absage an westliche Werte mißverstanden werden. Die Befürchtung war unbegründet. Aber es hat schon eine politische Bedeutung, daß auch im Jahre 16 der Einheit ein gro-ßer Teil der westdeutschen Bevölkerung noch immer nicht einmal besuchsweise den Weg in die "neuen" Bundesländer gefunden hat. Die Korrektur der Entscheidung von 1991 könnte den notwendigen Mentalitätswandel beschleunigen. Aber das will die Große Koalition gar nicht.


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