© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/06 08. September 2006

Meldungen

Spanien: Nationalstaat als Integrationsbremse

WIEN. Die "herrschende Meinung" der spanischen Staatsrechtslehre vertritt als Dogma, daß Spanien ein regionalistischer "Autonomiestaat" sei. Dieser Zwitter zwischen Bundesstaat und "Nationalitätenstaat" ist nach Ansicht von Xabier Aroz den Verlegenheiten geschuldet, in die die spanische Verfassung ihre Interpreten stürzt (Europa Ethnica 2/06). Obwohl die Verfassung sich auf "Volk" und "Nation" Spaniens gründe, also eigentlich eine zentrale Option für den unitarischen Nationalstaat enthalte, erkenne sie im selben Artikel die "Autonomie der Nationalitäten und Regionen" an, wobei zwischen diesen beiden nochmals ein Dualismus denkbar sei. Daß damit keineswegs nur kulturellen Differenzen Rechnung getragen wurde, zeige der Wille zur verfassungsrechtlich gesicherten "Nationalität" der Katalanen, Basken und Galicier, denen die Andalusier und Valencier und seit 1996 auch die Aragonesen und Kanarier gefolgt seien. Das baskische Autonomiestatut habe hier die tiefsten Einbrüche in das unitarische Rechtssystem bewirkt, da Madrid im Baskenland keine Steuer- und Finanzhoheit und kaum Einfluß auf das Bildungswesen und die öffentliche Ordnung habe. Aroz plädiert dafür, die Verfassung nun mit solchen Realitäten in Einklang zu bringen und zu einer "konsequenten Anerkennung der multinationalen Natur der spanischen Gesellschaft" zu schreiten - wohl schon mit Blick auf die täglich zahlreicher eintreffenden "Gäste" aus Afrika, deren "Integration" nach solcher "Überwindung von Nationalismus aller Art" erleichtert würde.

 

Inquisition diktierte Spaniens Sonderweg

FREIBURG. Ist die Konstruktion eines historischen "Sonderwegs" Deutschlands inzwischen als tradierte westalliierte Kriegspropaganda erkannt und ad acta gelegt, scheint sie für Spaniens Geschichte ein brauchbares Deutungsmuster zu bieten. Vom europäischen "Normalpfad" könnte Spanien nämlich durch die erst 1834 abgeschaffte Inquisition abgewichen sein. Wenn man sie auch nicht als "monokausale Erklärung" akzeptieren dürfe, benennt Mariano Delgada in den jesuitischen Stimmen der Zeit (7/06) doch Aspekte der spanischen Kultur und Mentalität, die sich aufgrund des Wirkens der Inquisition "von anderen europäischen Ländern unterscheiden": Bis ins 20. Jahrhundert habe bis hinein in einfache Volksschichten auch durch das zuvor inquisitorisch überwachte Verbot der Bibelübersetzung ins Spanische ein Klima des Mißtrauens gegenüber Büchern geherrscht, evoziert durch die kirchliche "Pädagogik der Angst". Zwangsläufig sei Spanien als Wissenschaftsstandort zurückgeblieben, da autonome Forschung kaum möglich war. Die "Kultur der Denunziation" habe zudem Künstler und Literaten an die Selbstzensur gewöhnt.

 

Erste Sätze

"Deutsche Wochen?" - Alexander hatte die Einladung spontan absagen wollen: vier Wochen Amerika?

Walter Kempowski: Letzte Grüße. Roman, München, 2003


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