© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/06 15. September 2006

Fälschungen und Beweise
Verschwörung in der Urania
Christian Dorn

Zum fünften Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 hatte die Berliner Urania zu einer Debatte geladen. Provokant ist schon die Einleitung, wird doch vorausgeschickt, daß die Anschläge auf das World Trade Center mit den Verkehrsflugzeugen so "unglaublich" waren, daß "die schnell präsentierten Erklärungen", das Wer und Wie des größten Terrorakts in den USA, ebenso "unplausibel" seien. Dieser Steilvorlage für jeden Verschwörungstheoretiker folgten am Montag dieser Woche etwa hundert Besucher.

Sehen sich all jene, die den offiziellen Versionen Glauben schenken, im Publikum in einer radikalen Minderheit, spiegelt das Podium proportional das gegenteilige Spektrum. Einzig Mathias Bröckers, Autor des Buches "Fakten, Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9." (Zweitausendeins Verlag) spielt tapfer die Rolle des Verschwörungstheoretikers, der seinen Verdacht, die US-Regierung stecke hinter dem Terroranschlag, wieder mal zum Besten gibt. Während das Publikumsgros hinter ihm steht und seinen Ausführungen applaudiert, läuft sein Angriff, insbesondere beim SPD-Mann Karsten Voigt ins Leere: "Mit verrückten Meinungen setze ich mich nicht auseinander".

Bröckers sei nicht der erste, der mit abstrusen Verschwörungs-Konstrukten auf ihn zukomme. Voigt, hier in seiner Funktion als Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, sieht keinen Grund, die al-Qaida-Täterschaft grundsätzlich in Frage zu stellen. Als Historiker sehe er bei den noch offenen Einzelfragen Parallelen zur Erforschung des Dritten Reiches, bei der es auch heute noch eine Reihe offener Fragen gebe, etwa wenn es darum gehe, die Befehlsanweisungen für Hitlers Verbrechen zu rekonstruieren. Während er diesen Vergleich zieht, grummelt es plötzlich überall im Saal wie ein seismographischer Ausschlag.

Der im Podium vertretene Journalist Yassin Musharbash (Spiegel-Online) pflichtet ihm bei. Die meisten Mosaiksteine der Verschwörer, mithin auch der Hauptteil des Films "Loose Change 9/11" (JF 37/06), seien längst widerlegt. Ratlos läßt ihn, daß die Skeptiker neue Fakten einfach nicht zur Kenntnis nähmen. Unklar seien nurmehr nachrangige Fragen, etwa die von Finanzgeschäften im Vorfeld des Terroraktes. Insbesondere zwei Umstände, resümiert er, sprächen eindeutig gegen die Theorie, der zufolge der Terroranschlag von der US-Administration selbst inszeniert worden sei: Zum einen gebe es keine einzige geschlossene Gegenthese. Viele der einzelnen Mosaiksteine widersprächen sich, wollte man sie zu einem Ganzen fügen. Noch entscheidender aber sei, daß niemals so viele Leute, die an der Verschwörung hätten beteiligt sein müssen, so lange schweigen würden.

Musharbash, der ein Buch über "Die neue al-Qaida" geschrieben hat, läßt Bröckers auch alt aussehen, als er dessen Verweis auf den bekannten US-Enthüllungsjournalisten des New Yorker, Seymour Hersh, kontert. Als seriöser Journalist würde er sich nie allein auf eine einzelne Geheimdienst-Information stützen. Die Verschwörung erreicht jedoch ihren Höhepunkt, als die Veranstaltung selbst von einem Besucher der Manipulation verdächtigt wird. Aufgeregt ruft er seinen Verdacht, daß die hier aufgezeichneten Besucherstimmen durch andere ersetzt würden.

Darauf der Kommentar eines anderen Besuchers, mit Blick auf den Verschwörungstheoretiker der ersten Stunde, Michael Moore: "Gimme Mo(o)re"!


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