© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/06 15. September 2006

Sind wir noch Papst?
von Wolfgang Fenske

Wir sind Papst!" titelte die Bild-Zeitung am Tag nach der Wahl Joseph Ratzingers im April letzten Jahres. "Wir", damit waren die Deutschen gemeint, die sich von der Aura des neuen - deutschen - Papstes unerwartet in den Bann ziehen ließen. Daß das deutsche Volk selbst weithin entchristlicht ist und der Gewählte in dem (irrigen) Ruf stand, ein Konservativer zu sein, schien der Begeisterung keinen Abbruch zu tun, entlarvte aber auch ihren äußerlichen Charakter.

Was Benedikt XVI. von derlei Vereinnahmungen hält, hat er am Sonntag in seiner Münchner Predigt deutlich gemacht. Für die schwierige Gratwanderung, sich zwar als deutscher Papst, nicht aber als Kuschelpapst der Deutschen zu präsentieren, zog er die beeindruckenden Kulissen einer Weltkirche auf seine Predigtbühne. Ein "afrikanischer Bischof" habe ihm sein Leid geklagt: "Wenn ich in Deutschland soziale Projekte vorlege, finde ich sofort offene Türen. Aber wenn ich mit einem Evangelisierungsprojekt komme, stoße ich eher auf Zurückhaltung." Und: Die "Völker Asiens und Afrikas" bewunderten zwar "die technischen Leistungen des Westens", erschräken jedoch "vor einer Art von Vernünftigkeit, die Gott total aus dem Blickfeld der Menschen ausgrenzt und dies für die höchste Art von Vernunft ansieht, die man auch ihren Kulturen beibringen will".

Sind wir Deutschen also noch Papst? Manche mögen das meinen. Benedikt XVI. aber hat seinerseits eine Grenze gezogen und gerade dadurch gezeigt, daß er nicht nur, vielleicht nicht einmal in erster Linie der Papst der Deutschen, sondern einfach nur Papst ist.


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