© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/06 22. September 2006

Hoffnung auf den günstigen Augenblick
Konservatismus I: Der Nachwuchs des Studienzentums Weikersheim sucht Wege aus der politischen Misere / Orientierung an verschütteten Traditionen
Felix Menzel

Wir stehen an einer Zäsur", stellte der Politikwissenschaftler Klaus Hornung, der ehemalige Präsident des Studienzentrums Weikersheim, am vergangenen Wochenende fest. "Die verzweifelte Lage drängt zu einer Entscheidung - und ich glaube, es kommt nun der Kairos, der günstige Augenblick." Nach Hornungs Überzeugung beginnen immer breitere Schichten des Volkes zu spüren, daß die sich verschärfende lähmende Krise nur durch den vielbeschworenen "Ruck" zu überwinden ist.

Ein weites Feld politischer und philosophischer Fragen diskutierten Mitglieder und Gäste von Jung-Weikersheim, der Nachwuchsorganisation des CDU-nahen Studienzentrums, bei einer dreitägigen Tagung in Tübingen zum Thema "Konservativismus". Im Vorfeld der Veranstaltung hatte die Ausladung des Historikers Karlheinz Weißmann für Verstimmungen im konservativen Lager gesorgt (JF 31-32/06). Neben Hornung referierten dort der Theologe und Philosoph Harald Seubert sowie der Kulturkritiker Günter Rohrmoser. Einig waren sich die Tagungsteilnehmer, daß konservatives Denken gegenwärtig zwar marginalisiert sei, doch die Aussichten auf eine Wende - trotz des desolaten Bildes der Großen Koalition - heute besser stünden als noch vor zehn Jahren. Der "Anschwellende Bocksgesang", den Botho Strauß in den neunziger Jahren ausmachte, sei nun nicht mehr zu überhören, meinte Hornung.

Welchen Weg aus der aktuellen Misere vermag die politische Philosophie des Konservativismus zu weisen? Alle drei Referenten legten großen Wert auf die Bedeutung der Geschichte. An verschüttete Traditionen deutscher und christlicher Geisteshistorie anzuknüpfen, gebe Orientierung für die Zukunft, empfahl Seubert in seinem Vortrag "Die Metatheorie der Konservativen". Dabei forderte er aber, "einen klaren Schnitt zu den Ideen der 'Konservativen Revolu-tion' der zwanziger Jahre zu ziehen". Deren Vorstellung, es müsse erst noch geschaffen werden, was der Erhaltung lohne, lehnt Seubert als unkonservativ ab. Der gedankliche Ausgang von einem historisch-kulturellen Nullpunkt offenbare eine gefährliche Nähe zu linkem Utopismus. Der echte Konservative zeichne sich aus durch ein Denken in geschichtlicher Kontinuität, durch ein skeptisches Menschenbild und die Ablehnung von Gleichmacherei, durch die Betonung von gewachsenen Institutionen, durch einen Patriotismus, der auch das Leiden anderer Völker empfinde, sowie durch einen Freiheitsbegriff, der Mäßigung und Verantwortungsbewußtsein umfasse.

Mäßigung und Verantwortungsbewußtsein

Überschattet war die Tagung von der muslimischen Kampagne gegen Papst Benedikt XVI. wegen dessen kritischer Bemerkungen zum Verhältnis von Islam und Gewalt. Obwohl protestantischen Konfession, betonten Hornung, Seubert und Rohrmoser ihre Sympathien für den "deutschen Papst". Hornung meinte, mit Benedikt XVI. sei ein Mann angetreten, dem eine überzeugende "Selbstkritik der modernen Vernunft" gelingen könne. Indem der Papst die Grenzen der emanzipatorischen Aufklärung aufzeige, wolle er "nicht hinter diese zurückfallen", sondern "den Vernunftbegriff weiten, die reduzierte Vernunft überwinden". Nach Ansicht Rohrmosers versucht der Papst gar, "die Aufklärung zu retten, indem er ihr begreiflich macht, was ihre christlichen Voraussetzungen sind".

Den Angriff der gewaltbereiten Anhänger Mohammeds auf die westliche Welt sieht Rohrmoser als die "Wiederkehr der Geschichte". Alle Visionen eines "Ausstiegs aus der Geschichte" seien widerlegt: Weder Marx, der glaubte, das "Rätsel der Geschichte" durch die proletarische Revolution lösen zu können, noch Francis Fukuyama, der das demokratisch-kapitalistische System als endgültig ansah, hätten recht behalten. Für Rohrmoser stellt nun der Islam eine "Herausforderung von der Dimension des Kommunismus und Faschismus" dar. Schon vor zwanzig Jahren habe er gesagt, "das Thema des 21. Jahrhunderts wird die Religion sein, sie wird aufs Neue ein weltpolitischer Faktor". Dabei habe die 68er-Kulturrevolution aber ein geistiges Vakuum hinterlassen; in der "planetarischen Auseinandersetzung" könne man dem radikalen Islam so nur wenig entgegensetzen. Neben der Einsicht des "Clash of Civilizations", die Samuel P. Huntington entwickelte, sei das Thema seines zweiten Buchs, die Frage nach dem "Who are we?", auch für Deutschland bedeutsam.

Allerdings erkennt Rohrmoser auch Zeichen der Hoffnung: "Aus dem Gefühl der Leere und Gefährdung heraus tasten sich die Deutschen wieder an vergessene Werte heran." Beispiele dafür seien selbst in Artikeln des Spiegel zu entdecken. Rohrmoser hofft auf eine Rückbesinnung auf die drei zentralen Säulen der Tradi-tion, der Nation und der Religion. Er endete mit dem Aufruf: "Das Konservative wird heute zum Überlebensimperativ für Deutschland."


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen