© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/06 22. September 2006

Mutige Warnerin
Nachruf: Oriana Fallaci
Thorsten Thaler

Wir schreiben das Jahr 2106. Über weiten Landstrichen Europas weht die Grüne Fahne des Propheten Mohammed. Zuwanderung, demographische Entwicklung und zwei verheerende Religionskriege haben in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts aus dem Alten Kontinent ein islamisch geprägtes Eurabien entstehen lassen. Die Herrschafts-, Rechts- und Gesellschaftsordnung wird von Moslems dominiert, ethnische Minderheiten wie Italiener, Spanier, Franzosen, Engländer und Deutsche kämpfen nicht nur um ihr kulturelles Überleben.

Es ist Mitte September. In der kleinen Redaktion der letzten noch erscheinenden Zeitung für die deutsche Minderheit versammeln sich die Redakteure zu ihrer Themenkonferenz. "Wir müssen in der nächsten Ausgabe unbedingt an Oriana Fallaci erinnern", schlägt der Feuilletonchef vor. Ratlose Gesichter blicken ihn an, der Name scheint niemandem etwas zu sagen. "Oriana Fallaci", fährt der Kulturredakteur erläuternd fort, "war eine italienische Journalistin und Schriftstellerin, die vor hundert Jahren, am 15. September, im Alter von 76 Jahren in ihrer Geburtsstadt Florenz an Krebs gestorben ist. Sie war die Tochter eines antifaschistischen Widerstandskämpfers im Zweiten Weltkrieg, die später als Kriegsreporterin und Interviewerin politischer Prominenz international bekannt wurde. Sie lebte lange Zeit in New York, arbeitete für renommierte Blätter wie die Londoner Times, Life, die New York Times, und sie schrieb einige vielbeachtete Bücher wie 'Ein Mann', 'Brief an ein nie geborenes Kind' und 'Inschallah'."

Der Kulturredakteur macht eine kurze Pause. In der Runde ist es merklich unruhig geworden, die Aufmerksamkeit hat nachgelassen. "Das ist ja alles schön und gut", meldet sich ein Kollege zu Wort, "aber wir haben doch zur Zeit wahrlich andere Sorgen, als an eine vergessene Schriftstellerin zu erinnern, oder? Überall auf dem Kontinent werden Minderheiten der alten europäischen Völker bedrängt, kämpfen um ihren Fortbestand und ihre Rechte, ganz besonders unsere deutsche Volksgruppe. Damit sollten wir uns beschäftigen."

"Richtig", erwidert der Feuilletonchef. "Das meiste von Oriana Fallaci mag heute vergessen sein, aber hier" - er hält zwei Bücher hoch, die er in die Konferenz mitgebracht hat - "dieser beiden Bücher wegen müssen wir an diese tapfere Frau erinnern. Das eine heißt 'Die Wut und der Stolz', erschienen 2001, unmittelbar nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York, das andere 'Die Kraft der Vernunft'. Es war ihr letztes Buch, erschienen 2004. Mit beiden hat sie sich einen unsterblichen Namen als mutige Islamkritikerin gemacht. Damals wurden die Bücher als aggressive Pamphlete gelesen, aber letztlich hat die Frau recht behalten. Heute leiden wir darunter, daß vor hundert Jahren nicht mehr Europäer auf Fallacis Warnung vor einem islamistischen Kreuzzug gehört haben."

Jetzt blitzen unter den Redakteuren Funken des Erinnerns und des Verstehens auf. Einer greift nach dem Buch "Die Wut und der Stolz", blättert darin herum, stutzt an einer Stelle plötzlich und liest laut vor: "Ihr begreift nicht oder wollt nicht begreifen, daß der Jihad gewinnen wird, wenn wir uns dem nicht entgegenstellen, wenn wir uns nicht verteidigen, wenn wir nicht kämpfen. Er wird unsere Kultur zerstören, unsere Kunst, unsere Wissenschaft, unsere Moral, unsere Werte, unsere Freuden ..."

Atemlos hält der Redakteur inne. "Das müssen wir unbedingt dokumentieren", sagt er.


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