© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/06 29. September 2006

"Nicht meine persönliche Überzeugung ausdrückt"
Vatikan: Für Papst Benedikt XVI. gehören nicht Religion und Gewalt, sondern Religion und Vernunft zusammen
Paola Bernardi

Letzten Sonntag waren wieder Hunderte von Gläubigen aus aller Welt erschienen, um das Angelus-Gebet des Papstes in Castel Gandolfo zu hören. Der Papst erinnerte an die ermordete italienische Ordensfrau, die mit den Worten "Vergebung" auf den Lippen starb. Wie auch auf dem Petersplatz, wo der Angelus übertragen wurde, schienen die Gläubigen die Gefahr völlig zu ignorieren. Das Terrornetzwerk al-Qaida hatte öffentlich angedroht: "Wir zerstören Rom." Seitdem herrscht Alarmzustand in der Ewigen Stadt; die Sicherheitsvorkehrungen besonders im und um den Vatikan wurden erneut verstärkt, die Flughäfen und Bahnhöfe werden stark kontrolliert.

"Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten", so zitierte der Papst am 12. September in seiner Regensburger Vorlesung zu "Glaube, Vernunft und Universität" Manuel II. Palaiologos.

"Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung ... Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann", so soll der byzantinische Kaiser 1391 im Winterlager zu Ancyra im Gespräch mit einem gebildeten Perser über Christentum und Islam und beider Wahrheit weiter ausgeführt haben.

Radikale Muslime in aller Welt nutzten die vom Papst verwendeten Zitate, um ihr politisches Spiel treiben. Sie verwenden die jahrhundertealten Worte zur Massenmobilisierung ähnlich wie anläßlich der dänischen Mohammed-Karikaturen (JF 7/06). Und dies, obwohl Benedikt XVI. nach seiner Rückkehr aus Deutschland umgehend klarstellte, daß er sich in keiner Weise die Worte des Kaisers zu eigen gemacht habe und diese auch keineswegs teile. Vielmehr habe er erklären wollen, daß nicht Religion und Gewalt, sondern Religion und Vernunft zusammengehörten. Er habe zum Dialog des christlichen Glaubens mit der modernen Welt und zum Dialog aller Kulturen und Religionen aufrufen wollen. Sein Vortrag war an Professoren, Dozenten und Studenten seiner ehemaligen Regensburger Universität gerichtet.

Trotzdem lief die globale Massenmobilisierung gegen den Vatikan, gegen den Papst und vor allem gegen die Christen weiter. So verbrannten Demonstranten in Pakistan eine Benedikt-Puppe und riefen: "Tod dem Papst!" In Somalia wurde eine italienische Missionsschwester erschossen und anderswo christliche Kirchen angezündet. Der türkische Staatsminister Mehmet Aydın drohte, daß die für November geplante Papstreise in die Türkei möglicherweise abgesagt werde, wenn der Papst sich nicht entschuldige - inzwischen gibt sich die Türkei zufrieden. Vor dem Uno-Menschenrechtsrat forderten islamische Länder eine Diskussion über religiöse Toleranz. Der zuständige Uno-Beauftragte für den Kampf gegen Rassismus bezeichnete die Äußerungen des Papstes als "zutiefst beunruhigend".

Auch in der letzten Generalaudienz nahm der Papst noch einmal ausführlich Stellung zu seiner Regensburger Vorlesung. "Als Thema hatte ich die Frage des Verhältnisses zwischen Glaube und Vernunft gewählt. Um die Zuhörer in die Dramatik und Aktualität des Themas einzuführen, zitierte ich einige Worte eines christlich-islamischen Dialogs des 14. Jahrhunderts, mit denen der Christ - der byzantinische Kaiser Manuel II. Palaiologos - in einer für uns unbegreiflich schroffen Weise seinem islamischen Gesprächspartner das Problem der Beziehung zwischen Religion und Gewalt darlegte. Dieses Zitat hat leider Anlaß zu Mißverständnissen gegeben."

"Für den aufmerksamen Leser meines Textes", so Papst Benedikt XVI., "ergibt sich jedoch klar, daß ich in keiner Weise die negativen Worte des mittelalterlichen Kaisers in diesem Dialog mir zu eigen machen wollte und daß ihr polemischer Inhalt nicht meine persönliche Überzeugung ausdrückt: Ausgehend von dem, was Manuel II. in der Folge positiv mit einem sehr schönen Wort über die Vernünftigkeit, die bei der Verbreitung des Glaubens führend sein muß, sagt, wollte ich erklären, daß nicht Religion und Gewalt, sondern Religion und Vernunft zusammengehen. Das Thema meiner Verlesung war also die Beziehung zwischen Glaube und Vernunft: Ich wollte zum Dialog des christlichen Glaubens mit der modernen Welt einladen und zum Dialog aller Kulturen und Religionen", so der Papst in seiner Stellungnahme.

Der neue Kardinalsstaatssekretär Tarcisio Bertone, der ausgerechnet in dieser schwierigen Zeit sein Amt antrat, unterstrich angesichts des noch immer flammenden Zorns der Muslime, daß für eine Entschuldigung kein Anlaß bestehe, nachdem der Papst sein "bewegtes Bedauern" über diese Reaktionen in der muslimischen Welt sogar mehrfach ausgedrückt habe. Trotzdem hat der Heilige Stuhl eine diplomatische Großoffensive angekündigt.

Nun muß sich zeigen, worum es den Muslimen wirklich geht: um weiteres Beharren auf das Mißverstehen, um ihr politisches Spiel zu treiben, oder um einen echten Dialog mit den Christen. Denn an diesem Montag hat Papst Benedikt XVI. die Botschafter aus mehrheitlich islamischen Ländern zur Audienz in die päpstliche Sommerresidenz Castel Gandolfo eingeladen.

Bei dem Treffen sind auch Vertreter der muslimischen Gemeinschaften in Italien dabei sowie Kurienkardinal Paul Poupard, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog. Er wertet allein das Zustandekommen dieses Treffens bereits als ein positives Zeichen. "Ich bin optimistisch", so der Kardinal.

Foto: Benedikt XVI. bei seiner Sonntagspredigt in Castel Gandolfo: Dem Wesen Gottes zuwider


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