© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/06 29. September 2006

Meldungen

Kaffeesatzlesereien zu Chinas Zukunft

FRANKFURT/M. So groß wie die Zahl akademischer China-experten ist, so vielfältig und widersprüchlich sind die Prognosen über die Zukunft im Reich der Mitte. Prophezeit Ian Buruma, daß Peking eine ökonomisch erfolgreiche Autokratie wilhelminischen Zuschnitts bleibe und der Westen jede Hoffnung auf Demokratisierung fahren lassen müsse (JF 33/06), sieht Thomas Heberer, Duisburger Politologe und Ostasienwissenschaftler, in der chinesischen Bauernschaft einen Motor des politischen Wandels, der mit der Marktwirtschaft auch die Demokratisierung voranbringen werde (Frankfurter Hefte/Neue Gesellschaft, 7-8 /06). Heberer meint, daß die Bauernschaft bislang wichtige Grundsteine für den zu erwartenden "Pluralisierungsprozeß" gelegt habe und der wichtigste "Machtfaktor der Veränderung" seit Maos Abgang gewesen sei. Die Bauern seien die einzige soziale Gruppe, die bisher zumindest formal die Möglichkeit zu direkten Wahlen besitze, was zum Ausgangspunkt für demokratische Wahlen im ganzen Land werden könne. Wie Harald Maas, Korrespondent der Frankfurter Rundschau, im Sinne Burumas voraussagt, werde solche Verwestlichung zwar weiter um sich greifen, das autokratische Regime erfahre aber so lange keine Lockerung, wie "Chinas Boom" das weiter gewährleiste.

 

Unabhängigkeit auf "eigne Krefte" gestützt

BERLIN. Bei Frühneuzeit-Historikern verliert der Epochenbegriff "Absolutismus" in letzter Zeit an Erklärungskraft. Nicht zuletzt deshalb, weil die verstärkte Untersuchung ständischer Gewalten die Auffassung von der unumschränkten Macht des absoluten Fürsten relativiert hat. Johannes Kunisch, Kölner Emeritus und 2004 mit seiner Biograph Friedrichs des Großen hervorgetreten, glaubt vor dieser Dekonstruktion des Absolutismus warnen zu können. Seinen Einspruch fundiert er am Beispiel der Großen Kurfürsten und dessen Rolle als Feldherr (Zeitschrift für Historische Forschung, 1/06). Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg habe als Feldherr um 1675 eine einschneidende Erfahrung gemacht. Im Westen eingebunden im erfolglosen Koalitionskrieg gegen das expandierende Frankreich, siegte er gleichzeitig mit der Befehlsgewalt als Landesvater gegen die Schweden. Daraus habe er den Schluß gezogen, daß machtpolitische Selbstbehauptung nur möglich sei, wenn man sich auf "eigne Krefte" verlasse. Dies wiederum bedingte sein "Streben nach Unabhängigkeit und Autonomie im militärischen Bereich". Darum rüstete er seine "kriegserprobte Armee" nicht mehr ab, was "innere Ressourcenmobilisierung" zu Lasten der Ständemacht und die Festigung des kurfürstlichen "Absolutismus" nach sich zog. Unverkennbar sei hier das enge Verhältnis von Staats- und Heeresverfassung, dem epochale Bedeutung zukomme, weil drei folgende Hohenzollernkönige "ausdrücklich an dieses der Tendenz nach autokratische Fürstenregiment" anknüpften, das die "Militärpräsenz Brandenburg-Preußens" steigerte.


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