© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/06 06. Oktober 2006

Wenigstens das schlafende Ungeheuer geweckt
Eva Herman erteilt ihren Geschlechtsgenossinnen mit Eifer Lektionen, die sie selber noch nicht vollständig verinnerlicht hat
Ellen Kositza

Längst weiß auch der Fernsehabstinenzler, wer Eva Herman ist, und kann wohl rasch die markantesten Punkte der öffentlichen Auseinandersetzung aufzählen, die ihr jüngstes Buch ausgelöst hat. In aller Kürze: Hermans propagierte "neue Weiblichkeit" findet ihr Selbstverständnis in der verantwortungsvollen Wahrnehmung von Hausfrauentätigkeit und Mutterberuf. Sie wendet sich vor allem an die sogenannten Karrierefrauen, jene Klientel also, der sie selbst entstammt. "Wir Frauen", konstatiert Herman, "haben tatsächlich viel erreicht. Wir marschieren im Stechschritt durch einen anstrengenden Alltag voller Widersprüche. Wir sehnen uns verzweifelt nach Geborgenheit, Heim und Familie und kämpfen unser einsames Gefecht in der männlich geprägten Arbeitswelt. Unsere Beziehungen zerbrechen immer schneller. Wir verzichten auf Kinder, und wenn wir doch welche haben, dann geben wir sie so schnell wie möglich in fremde Hände. Der Spagat zwischen Privatleben und Karriere ist ein Extremsport, der uns aufreibt, statt uns zu beflügeln."

Da Herman diesen Weg mit all seinen Anstrengungen und statusbedingten Privilegien selbst ging und auch ihren Bekanntenkreis aus diesem Milieu rekrutiert, darf man annehmen, daß sie weiß, wovon sie spricht. Die unangemessen jähzornigen Reaktionen aus dem Kolleginnenkreis der Fernseh- und Zeitungsfrauen sprechen dafür, daß die Sehnsucht nach Heimeligkeit und Familiarität so weit verbreitet wie uneingestanden ist. Hermans Streitschrift hat hier wohl ein schlafendes Ungeheuer geweckt: die mißliebige weibliche Biologie, die die feministischen Agitatoren längst im Keller hinter Schloß und Riegel wähnten. Als Frau werde man schließlich nicht geboren, sondern zur Frau werde man gemacht! Wer das "Eva-Prinzip" liest, ist gut beraten, sich freizumachen von solch etablierten Denkschablonen und Urteilsmustern. Vermutlich sind wenige - zumal innerhalb der jüngeren Generation - noch in der Lage, gänzlich unbeeinflußt von der Sogwirkung moderner role models und der durch sie suggerierten Selbstverständlichkeiten zu urteilen.

Nun könnte man als grundsätzlicher Anhänger der Hermanschen Thesen all das, was an diesem Buch stört, als randständige Details beiseite lassen. Motto: Hauptsache, es wagt sich mal jemand - noch dazu jemand mit derartig hoher Publikumsaffinität - von dieser, der bisher unerhörten Seite, an das Thema. Andrerseits: Gerade weil das "Eva-Prinzip" hunderttausendfach gelesen wird, darf man sich grämen über diese und jene Kröte, die mitzuschlucken hat, wer das Buch gegen das Heer seiner Kritiker zu verteidigen sucht. Das beginnt bei Hermanns äußerst selbstbezogenem Stil. Das viele "ich/mein/mich" mag Hermans Beobachtungen authentisch aus dem Lebensalltag gegriffen erscheinen lassen, dem Leser tritt sie damit gelegentlich zu nahe. Ähnlich geht es mit der Vielzahl distanzloser Wendungen wie "Merken Sie was?", "Wir wissen es doch alle ..." und "Machen wir uns nichts vor ...". Derart affirmativ ins gemeinsame Boot mag nicht jede gezogen werden.

Zudem wäre die eine oder andere Stellungnahme zu bestimmten Spezialthemen, die Herman augenscheinlich besonders beschäftigen, verzichtbar gewesen. Ob ein Kind wirklich Schaden nimmt, wenn es außerhalb des elterlichen Bettes nächtigt, mag ebenso dahingestellt sein wie die These, daß der Geburtsschmerz die Mutter-Kind-Bindung nachhaltig schädige (Weshalb die Nationalsozialisten angeblich die nun von Herman propagierte Geburt unter Narkose ablehnten: Das Kind sollte ja dem Führer gehören!).

Demgegenüber ist es Eva Herman nicht anzukreiden, daß sie die Rolle der Männer in diesem Emanzipationssalat nicht in gleicher Ausführlichkeit zur Sprache bringe. Dieser häufig vorgebrachte Vorwurf geht fehl. Zum einen läßt sie die Männer, die unter anderem als "verunsicherte Softies" auftauchen, keineswegs außen vor, zum anderen dürfte eine erschöpfende Anamnese Adams glatt einen zweiten Band füllen.

Hermans eigene Rolle aber bleibt fragwürdig. Auch dann, wenn man ihr, der vierfach verheirateten, spätgebärenden Einmal-Mutter zugesteht, eben erst spät jene Lektionen gelernt zu haben, die sie nun mit Eifer anderen erteilt. Eva Herman aber ist wie eh und je voll im Geschäft; die Tagesschau hat sie ja nur gegen die Vielzahl der PR-Aktivitäten rund um ihr Buch eingetauscht, derweil Haus und Sohn von anderweitig professionalisiertem Personal versorgt werden. Wasser predigen und Wein trinken - das macht nicht nur unglaubwürdig, das gibt auch dem gelegentlich geäußerten Verdacht Nahrung, es handle sich beim Eva-Prinzip um nicht mehr als Füllen einer Marktlücke. Doch letztlich: Und wenn schon!

Eva Herman: Das Eva-Prinzip. Für eine neue Weiblichkeit. Pendo Verlag, München/Zürich 2006, gebunden, 264 Seiten, 18 Euro

Foto: Unglückliche Extremsportlerin: Sozialisation und Wertevermittlung


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