© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/06 13. Oktober 2006

Bildungspolitisches Imitat
von Joseph Kraus

Schulpolitik scheint ein Friedhof zu sein, auf dem beständig Auferstehung gefeiert wird. Die Argumente mögen noch so dürftig sein, die angesagte Aufbruchsstimmung läuft immer auf eines hinaus: auf die Forderung nach der Einheitsschule.

War man diese Vision bislang nur aus der linken Ecke gewohnt, so ist jetzt auch die CDU eingeschwenkt. Im Land zwischen den Deichen hat sie als der größere der beiden Kieler Koalitionspartner die Segel gestrichen und sich ins Boot der SPD begeben. Ab 2010 wird die Gesamtschule in Schleswig-Holstein verbal zur Gemeinschaftsschule befördert und damit stabilisiert, weitere Schulen können sich ebenfalls zur Gemeinschaftsschule umwandeln. Die Haupt- und Realschulen werden zur Regionalschule mit gemeinsamer Orientierungsstufe in den Klassen 5 und 6 vermengt. Die vereinte schulpolitische Linke jubelt ob dieses großen Schritts in Richtung Einheitsschule.

In der CDU-Basis geht der Frust um. Da mag es ein kleiner Hoffnungsfunke sein, daß vor allem die Jungen in dieser Partei noch eine gewisse Prinzipientreue vorleben und sich nicht vom Machtpragmatismus der Großkoalitionäre haben korrumpieren lassen. Für die CDU aber stellt sich - nicht nur in Kiel - die Frage, ob sie glaubt, als Imitat der SPD mehr Stimmen erringen zu können als das SPD-Original.

 

Josef Kraus ist Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL) und Autor des Buches "Der PISA-Schwindel" (2005).


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