© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/06 13. Oktober 2006

Anspruch und Wirklichkeit
NPD: Nach dem Wahlerfolg in Mecklenburg-Vorpommern wächst das Interesse an der Arbeit der sächsischen Landtagsfraktion
Peter Freitag

Egal, ob Hochwasserschutz an der Elbe oder die Reinheit des heimischen Weines - die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag bezieht zu fast allen Themen der Landespolitik Stellung und betreibt parlamentarische Arbeit wie andere Oppositionsparteien auch. In die Schlagzeilen geraten die Vertreter der extremen Rechten allerdings immer nur dann, wenn es nicht um Sachthemen aus der Landespolitik geht. Partei und Fraktion werden sowohl von den übrigen Parteien als auch von den meisten Medien konsequent ignoriert, wenn Äußerungen und Positionen der Nationaldemokraten nicht dazu geeignet sind, sie als "Neonazis zu entlarven" oder als politisch vollkommen inkompetent zu überführen.

In einer Mischung aus ehrlicher Anerkennung und gleichzeitiger Frustration mußte selbst ein Mitglied der Dresdner Fraktion der Linkspartei gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk eingestehen, daß in punkto formaler parlamentarischer Arbeit der NPD nichts Negatives nachzusagen sei.

Vor allem der jetzt nach Schwerin wechselnde Geschäftsführer Peter Marx soll sich hierbei Verdienste als ein mit allen Wassern gewaschener Kenner der Materie erworben haben; er scheint die Tricks und Kniffe der Geschäftsordnung des Landtags insoweit zu beherrschen, daß er sie zum Nutzen der ansonsten isolierten und verpönten Parlamentsaußenseiter auslegt.

So überhäuft die NPD die sächsische Staatsregierung mit Anfragen oder beantragt "aktuelle Stunden". Der Vorteil ist, daß laut Geschäftsordnung die so ins Plenum eingebrachten Themen an die Spitze der jeweiligen Tagesordnung rücken und zuerst abgehandelt werden müssen. Ausnahmen davon gibt es nur, wenn Minister zu reden wünschen, so daß infolge dieser NPD-Strategie mittlerweile auffallend häufig die Regierungsmitglieder im sächsischen Landtag ums Wort bitten.

Die Isolierung ihrer Fraktion durch den Rest des Landtags gehörte durchaus in das Kalkül der NPD, die nach den Worten ihres Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel "Fundamentalopposition" betreiben will. Die von Parteichef Udo Voigt vollmundig angekündigte "Abwicklung der BRD über die Wahlurne" ließ sich jedoch von Sachsen aus nicht verwirklichen; insbesondere in der "alten" Bundesrepublik kann seine Partei bisher nicht Fuß fassen und nicht in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde vordringen, geschweige denn aufsehenerregende Erfolge erzielen. Zukünftig werde man, so die Schlußfolgerung eines Parteifunktionärs, die Ressourcen dort einsetzen, wo Aussichten auf Erfolg bestünden. Diese Wahlkampfstrategie liegt offensichtlich dem Erfolg in Mecklenburg-Vorpommern zugrunde. Wie in Sachsen kann sich die Partei hier auf lokale Aktivisten und sogenannte "Kameradschaften" stützen.

Einen schweren Einbruch erlebten die NPD in Sachsen im Dezember 2005, als die drei Abgeordneten Mirko Schmidt, Klaus Baier und Jürgen Schön aus Fraktion und Partei austraten (JF 3/06). Einher ging damit nicht nur ein deutschlandweites Presseecho, sondern auch gegenseitige Beschimpfungen. Während die drei Abweichler der Partei den Verrat an den Wählerinteressen vorwarfen, überzog diese die Renegaten mit dem Vorwurf, bezahlte "Spitzel" des Verfassungsschutzes zu sein.

Dabei konnten die Kontrahenten jeweils für ihre Position Sachverhalte ins Feld führen. Tatsächlich haftete den Austritten ein Geschmäckle nachrichtendienstlicher Mitwirkung in Form des "Aussteigerprogramms" an. Diese Einflußnahme des sächsischen Verfassungsschutzes rief auch die Kritik anderer Oppositionsparteien hervor.

Andererseits schienen die Vorwürfe der "Aussteiger" gegen die Fraktionsführung auch nicht ganz aus der Luft gegriffen zu sein. Sie - allesamt "eingeborene" Sachsen - kritisierten vor allem den Führungsanspruch der aus dem Westen stammenden Mitglieder, denen es weniger um die Belange der sächsischen Wähler als vielmehr um die Durchsetzung ihrer Ideologie ginge. In dieser Entladung interner Konflikte und dem Verlust eines Viertels der Fraktionsstärke sahen Beobachter die Wiederholung eines typischen Phänomens in der Geschichte bundesdeutscher Rechtsparteien, der Implosion ihrer Fraktionen durch Egoismus, finanzielle Unregelmäßigkeiten, Führungsstreit und Vorwürfen nachrichtendienstlicher Unterwanderung.

Bis zum Wahlsieg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern war es um die Fraktion in Dresden wieder ruhiger geworden. Nun haben Vorwürfe, die Partei habe Fraktionsgelder für ihren Wahlkampf in anderen Ländern zweckentfremdet, die sächsische NPD erneut in die Schlagzeilen gebracht.

Das Bemühen, die Anschuldigungen zu widerlegen, ist für die NPD um so wichtiger, als sie sich sonst dem Vorwurf aussetzt, auch nicht besser als "die Etablierten" zu sein. Denn mit diesem Makel gelänge der Wiedereinzug in den Landtag in gut zwei Jahren wohl kaum; der aber ist wiederum Voraussetzung, weiterhin Geld zu beziehen, zum Beispiel durch den dann gültigen Anspruch auf Förderung des parteieigenen "Bildungswerks für Heimat und nationale Identität".


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen