© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/06 13. Oktober 2006

Vom Kaffee zu den Drogen
Das Elend von Guatemala
Werner Olles

Seit fünfzehn Jahren recherchiert der Soziologe und freie Journalist Andreas Boueke in Lateinamerika, vorwiegend für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Zweimal, 1998 und 2001, vom Bundespräsidenten für seine Berichterstattung mit dem Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet, veröffentlichte er in den letzten Jahren die Bücher "Betr. Amerika", "Kampf der Kleinsten" und "Kaleidoskop Mittelamerika". Angesichts von Umweltzerstörung, Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung bezieht Boueke entschieden Stellung für die benachteiligten und ausgegrenzten Ethnien und Gruppen des amerikanischen Kontinents.

Vor allem in Guatemala, dem Land, auf das er seine journalistischen Streifzüge in den letzten fünf Jahren beschränkte, hat ihm dies nicht nur Freunde eingebracht. Dennoch ist das Land zwischen Mexiko, Belize, Honduras und El Salvador zu seiner zweiten Heimat geworden, zumal er dort seine Frau kennenlernte und hier auch seine beiden Kinder geboren wurden.

Boueke läßt in seinem Buch Mütter, Fischer, Priester, Politiker und Fabrikarbeiter zu Wort kommen. Diese Gespräche und seine eigenen Eindrücke bilden die Grundlage für die sechzehn Reportagen aus einem von Maya-Kultur, Drogengewalt, Kaffeekrisen und Bürgerkriegstraumata geprägten Land. Manche seiner Texte führten in Guatemala zu Konflikten mit mächtigen internationalen Konzernen und korrupten Staatsbeamten, allesamt aber bieten sie faszinierende Einblicke in die Wirklichkeit eines Staates nach einem verheerenden Bürgerkrieg in den achtziger Jahren mit zahllosen Toten und Verschwundenen.

Boueke beschreibt auch die Hoffnung der indigenen Bevölkerung, die zu den ärmsten Amerikas gehört. Doch nach dem Abgesang auf die goldene Ära des Kaffees, den Umtrieben der Garnelenindustrie, die wahre Küstenwüsten hinterließ, und den schmutzigen Methoden der Ölmafia avancierte Guatemala zum Umschlagplatz der Drogenkartelle im Kokain-Geschäft, während die elende Situation der Tagelöhner auf den Zuckerrohrfeldern an der Pazifikküste kaum Aussicht auf eine Veränderung der Verhältnisse bietet.

Andreas Boueke: Guatemala. Journalistische Streifzüge. Horlemann Verlag, Bad Honnef 2006, broschiert, 238 Seiten, 12,90 Euro


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