© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/06 13. Oktober 2006

Meldungen

Verdecktes Schreiben: Nietzsche und Burckhardt

FREIBURG. Unter einem ungünstigeren Stern hätte eine Veröffentlichung kaum stehen können als Alfred von Martins "Nietzsche und Burckhardt" (1941). Der Verfasser hatte 1933 aus politischer Überzeugung freiwillig auf seine Göttinger Dozentur verzichtet. Auf die Deutung Friedrich Nietzsches erhoben diverse NS-Denker ein Monopol. Jacob Burckhardt galt als "Reichsfeind". Die erste Auflage einer weiteren Burckhardt-Studie von Martins wird 1942 auch konsequent von der Gestapo beschlagnahmt. Wie Hubert Treiber in einer weit ausholenden Studie über "Nietzsche und Burckhardt" darlegt (Saeculum, 1/06), sei es von Martin trotz feindlichen Umfeldes gelungen, für die humanistischen Werte "Alteuropas" zu werben, wie sie Burckhardt repräsentiert. Der konvertierte Katholik von Martin konzipierte seine Protagonisten als "Kontrasttypen", dabei ignorierend, daß die beiden Baseler Professoren sich in ihrer Kritik des Massenzeitalters sehr ähnlich waren. 1941 jedoch stellte von Martin Burckhardt als bürgerlich-christlichen Humanisten und "Lichtgestalt" dem "NS-Teufel" und Nihilisten Nietzsche gegenüber. Der nach dem 20. Juli 1944 hingerichtete Nationalökonom Jens Jessen, der das Werk zustimmend rezensierte, habe diese Botschaft so gut verstanden wie der spätere Bundespräsident Theodor Heuss.

 

Flakhelfer: Sinn für unbedingt Existentielles

SEELZE. Die Jugendlichen, die zwischen dem 8. Mai 1945 und 1950 auf ihr Abitur zusteuerten, hätten zusätzlich zu kriegsbedingten Traumata wie wohl "keine Jugend in der Geschichte" den "Zusammenbruch ihrer ideellen Werte" verkraften müssen. Wie sich dies im "Zeitalter der Zusammenbruchsgesellschaft" mentalitätshistorisch niederschlug, versucht Stefan A. Oyen in einem Zugriff auf west- und mitteldeutsche Abituraufsätze jener Zeit zu ergründen (Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 9/06). Was der Soziologe Helmut Schelsky in der Generation der Grass, Fest und Dahrendorf als "skeptische" Grundhaltung ermittelte, die das Fundament des altbundesrepublikanischen Demokratismus bildete, sei 1947 keineswegs für Abiturienten verbindlich gewesen. Denn zum Prüfungsthema, wie man in der "Not der Gegenwart nach den sittlichen Forderungen des Christentums" leben könne, sei einigen Schülern schlechterdings nichts eingefallen, andere hätten nur opportunistisch geantwortet. Unverkennbar sei daher eine unpolitische Verengung der Sinnerwartung auf das "unbedingt Existentielle" in der "Flakhelfer-Generation".

 

Erste Sätze

24. August 1939. Ich besorge mir in Stendal ein altes altmärkisches Bauernkostüm, das ich am 26. beim Wiedschen Fest in Strahwalde tragen will, und ziehe es zum Abendbrot an.

Udo von Alvensleben, Lauter Abschiede. Tagebuch im Kriege, herausgegeben von Harald von Koenigswald, Frankfurt am Main 1971


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