© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/06 20. Oktober 2006

Birgit Kelle
Jung und konservativ
von Christian Vollradt

Für das Wagnis, ohne die finanziellen Ressourcen eines schwergewichtigen Verlags eine neue Zeitschrift herauszugeben, eine christlich-konservative zudem, bedarf es einer gehörigen Portion Risikobereitschaft. Die scheint Birgit Kelle, die junge Herausgeberin und Chefredakteurin des erst vor einem Jahr gegründeten Monatsmagazins Vers 1 (JF 39/05), mitzubringen. Die 1975 in Siebenbürgen geborene Journalistin, die im Alter von neun Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland aussiedelte, verzichtet dabei darauf, ihrem Projekt eine bestimmte parteipolitische oder konfessionelle Nuancierung zu geben.

Der Titel Vers 1 bezieht sich ausdrücklich auf den ersten Vers des Johannesevangeliums ("Im Anfang war das Wort"), was für ein Publikationsorgan natürlich ein überaus passendes Bekenntnis ist, theologische Puristen jedoch zu dem Einwand veranlassen mag, daß der logos (so der griechische Urtext) weit mehr ist als das gesprochene - oder gedruckte - Wort.

Aber aus einem anderen Grund erscheint diese Anlehnung doch passend: Wie kaum ein neutestamentlicher Autor legt der vierte Evangelist am deutlichsten Wert auf die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen den Freunden und den Feinden der Botschaft Jesu Christi. Diese Trennschärfe ist nicht nur der Journalistin wichtig, sie spiegelt auch den Ansatz der Christin Kelle, die über konfessionelle Grenzen hinausreichende Gemeinsamkeit der Christen zu betonen. Dagegen ist bei Vers 1 in Fragen grundsätzlicher abendländischer Normen und Werte Schluß mit jeglicher Beliebigkeit. So hat sich die Herausgeberin, selbst dreifache Mutter, den Einsatz für umfassenden Lebensschutz und die Förderung der Familien vor allem auf die Fahnen geschrieben. "Aufgabe des Staates ist doch eigentlich, daß viele Kinder geboren werden, und nicht die Beteiligung an der Vernichtung ungeborenen Lebens", so Kelle mit Blick auf die gesetzlich legitimierte Abtreibungspraxis in Deutschland, bei der die Parteien Schindluder mit der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts treiben, nämlich die geltende Regelung auch auf ihre die Abtreibungszahlen reduzierende Wirkung hin zu überprüfen.

Ein anderer Antagonismus hat dem Bekanntheitsgrad von Vers 1 enorm genützt: Maßgeblich von Kelles Redaktion ging die Kampagne gegen die despektierliche Kirchen-Spottserie "Popetown" des Senders MTV aus, die via Internet von 50.000 meist jungen Menschen unterstützt worden war und ein vielfältiges Medienecho hervorrief.

Aus den Amtskirchen erfährt Kelle sowohl Unterstützung - etwa durch hohe Würdenträger als Interviewpartner - als auch zurückhaltende Skepsis.

Die zarten Anzeichen einer Besinnung auf konservative, christlich-abendländische Werte in der Gesellschaft stimmen die junge Vers 1-Mannschaft hoffnungsfroh. Diese Hoffnung dürfen alle teilen, die "wissen, daß sein Zeugnis wahr ist", wie es bei Johannes - am Schluß - heißt.


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