© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/06 20. Oktober 2006

Kleine Lösungen für große Probleme
Naturschutz: Der Bericht des Umweltbundesamtes zeichnet sich durch Liebe zum Detail aus / Zeit der großen Entwürfe vorbei
Volker Kempf

Der im Oktober als Druckfassung erscheinende Bericht des Umweltbundesamtes (UBA) für das Jahr 2005 bietet nicht nur eine Fülle von Umweltdaten auf, sondern will auch Perspektiven vermitteln. Umweltschutz ist kein "Bremsklotz" für den Arbeitsmarkt, heißt es da einleitend. Vielmehr würden ungefähr 3,5 Prozent aller Erwerbstätigen in diesem Sektor arbeiten. Das seien etwa 1,5 Millionen Menschen. Deutschlands Exportvolumen an Umweltschutztechnik betrage 31 Milliarden Euro. Damit stellt sich der oft belächelte Umweltschutz erst einmal als bedeutender Wirtschaftsfaktor dar.

Treibhausgas-Emissionen nehmen nicht spürbar ab

Aber Umweltmaßnahmen sollen nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Umwelt selbst helfen. Da ist als Thema Nummer eins an den Klimawandel zu denken. Denn der globale Treibhausgasausstoß soll bis 2050 im Vergleich zu 1990 halbiert, der Temperaturanstieg bis 2100 auf höchstens zwei Grad Celsius - bezogen auf die Mitte des 19. Jahrhunderts - begrenzt werden.

Zwar ist nach langjährigen internationalen Verhandlungen im Februar 2005 das sogenannte Kyoto-Protokoll in Kraft getreten. Aber Szenarien des UBA zeigten, "daß die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 mit den derzeit beschlossenen Instrumenten nicht spürbar abnehmen". Das ist nicht neu, wird aber damit einmal von offizieller Seite her bestätigt. Der Planet wird so einfach nicht gerettet, lautet die Botschaft.

"Nur mit einer konsequenten Weiterentwicklung der Klimapolitik und anspruchsvollen eigenen Zielen zur Verminderung der Treibhausgase würde Deutschland international Vorreiter in diesem Feld bleiben." Nur bestimmt die Klimapolitik Deutschlands nicht das Klima der ganzen Welt. Von daher heißt es weiter: "Auch sind - angesichts der globalen Herausforderung Klimaschutz - die USA als gegenwärtig größter Emittent von Treibhausgasen ebenso einzubeziehen wie die wichtigsten Schwellenländer, unter anderem China, Indien und Brasilien."

Damit ist im Grunde gesagt, was alles politisch nicht durchzusetzen war, aber eigentlich entscheidende Punkte für einen wirksamen Klimaschutz wären. Aber, so die weitere Botschaft, kein Grund, den sprichwörtlichen Löffel hinzuwerfen, sondern sich weiter um "Energieeffizienz" zu bemühen.

Damit ist aber auch gesagt, daß nicht nur der technisch-ökonomische Aufstieg der bevölkerungsreichen Länder wie China und Indien hingenommen wird, sondern ebenso die stattfindende Bevölkerungsentwicklung. Dabei ist es den Energieverbrauch und die Emissionen von Treibhausgasen betreffend durchaus relevant, ob die USA und die EU, Afrika und Asien, ihre Bevölkerungsentwicklung mit Maßnahmen zu ihrer Eingrenzung flankieren. Neue Akzente setzt das UBA nicht, sondern es richtet sein Augenmerk auf Details.

Interessant die hochspezifische Wirkung verschiedener Arzneimittel in der Umwelt. Denn der Einsatz von Arzneimittel-Wirkstoffen wie dem Schmerzmittel Paracetamol gegen Baumschlangen oder Antiepileptika gegen Tauben liege zwar unter den therapeutisch wirksamen Dosen, aber die Umwelt reagiere empfindlich darauf. Der Langzeiteinsatz von Arzneimitteln in der Umwelt sei noch weitgehend unerforscht. Um so mehr gab es, wie der Presse zu entnehmen war, böse Überraschungen wie verendete Geier, die entsprechendes Aas verzehrten.

Umweltbewertung von Humanarzneimitteln nötig

Anforderungen zur Umweltbewertung von Tierarzneimitteln seien aber international harmonisiert worden. Die Genehmigungspflicht in diesem Bereich sei sinnvoll. So sei als Erfolg zu melden, daß in Deutschland ein Medikament für Fischfarmen zur Behandlung von Fischläusen nicht genehmigt wurde, weil dieses auch andere Wassertiere getötet hätte. Bei der Umweltbewertung von Humanarzneimitteln sei zumindest ein Anfang gemacht worden.

Aufschlußreich sind die präsentierten Zahlen über den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln in der Land-, Forst- und Gartenwirtschaft. Denn seit 1994 habe sich bis 2002 insgesamt nicht viel verändert. Einem minimalen Rückgang im Bereich der Herbizide (Unkrautbekämpfungsmittel) steht eine deutliche Zunahme bei den Fungiziden (Pflanzenschutzmittel) gegenüber, in Zahlen ausgedrückt: von 14.834 auf 14.328 Tonnen beziehungsweise von 3.231 auf 4.323 Tonnen. Das ist angesichts der Entwicklung von Mitteln mit Wirkungen in geringerer Dosis eine nicht zufriedenstellende Bilanz.

Die Öko-Landwirtschaft konnte mit einem Anteil von nur etwa fünf Prozent auch nicht viel kompensieren helfen. Da wird für Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) guter Rat teuer sein. Denn ein Quantensprung bei der Ausweitung der ökologischen Landwirtschaft ist nicht realistisch und auch nicht sein erklärtes Ziel, so daß kaum mehr als eine verfeinerte Risikobewertung von entsprechenden Stoffen zur qualitativen Optimierung ihres Einsatzes praktikabel erscheint.

Der Umweltschutz bleibt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, doch die Zeit, in denen mit einfachen technischen Lösungen viel bewegt werden kann, scheint vorbei zu sein. Detailfragen stehen daher im Vordergrund des UBA-Berichtes, weil sie von der Politik wohl auch am ehesten angegangen werden.

Der Jahresbericht 2005 des Umweltbundesamtes kann beim UBA, Wörlitzer Platz 1, 06844 Dessau bestellt werden. Tel: 03 40 / 21 03-0, Internet: www.umweltbundesamt.de


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