© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/06 27. Oktober 2006

Bloß keinen Ärger machen
Junge Union: Auf ihrem Deutschlandtag schont die JU ihre Mutterparteien / Deutliche Stellungnahme gegen Abtreibungen verhindert
Tobias Westphal

Zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften liegen im prächtigen Foyer des Kurhauses in Wiesbaden kostenlos aus. Anklang findet bei den Delegierten der Jungen Union unter anderem die Wirtschaftswoche, in der durch das Umfrageinstitut Forsa festgestellt wurde, daß der CDU die "bürgerlichen" Wähler davonlaufen. Das trübte die Stimmung der Jungpolitiker auf dem Deutschlandtag 2006 jedoch nicht.

Immerhin hatte man zu Beginn der dreitägigen Veranstaltung des Jugendverbandes der CDU und CSU am vergangenen Wochenende den bisherigen Bundesvorsitzenden Philipp Mißfelder für zwei Jahre wiedergewählt. Dieser kritisierte in seiner Rede die Große Koalition, insbesondere die geplante Gesundheitsreform, da keine Rücklagen für die heute noch junge Generation gebildet werden. Auch forderte er die Union auf, sich innerhalb der Großen Koalition "stärker von der SPD abzugrenzen".

Mißfelder sichert der Kanzlerin Loyalität zu

Spätestens 2009 müsse mit einer Großen Koalition "auf jeden Fall Schluß sein", forderte er unter dem Beifall der Delegierten. Der JU-Bundesvorsitzende führt den Jugendverband der Union bereits seit Oktober 2002; ohne Gegenkandidaten kam er bei seiner jetzigen Wiederwahl auf eine Zustimmung von 84,5 Prozent, etwas weniger als noch vor zwei Jahren.

Trotz aller Kritik sicherte der JU-Vorsitzende Mißfelder der Bundeskanzlerin grundsätzlich die Loyalität des Unions-Nachwuchses zu. Kam diese doch am Samstagvormittag unter großem Beifall und rhythmischem Klatschen der JU'ler zu Besuch und hielt gegenüber dem Parteinachwuchs eine Rede, die mit Spannung verfolgt wurde. Angela Merkel verteidigte darin die Arbeit von CDU, CSU und SPD und versprach bei der Pflegeversicherung die von der JU eingeforderte "Demographiefestigkeit". Merkel machte deutlich, daß die angestrebte Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht allein die Aufgabe der Frauen sei, "es ist ein Elternthema". Das Elterngeld, fügte die Kanzlerin hinzu, halte sie für "revolutionär".

Den meisten Applaus bekam sie von den Delegierten, als sie bekannte, daß sie es für falsch halte, "daß wir Kernkraftwerke abschalten". Das hörten wohl auch die Damen und Herren des Informationskreises Kernenergie gerne, die sich mit vielen weiteren Firmenvertretern im Foyer des Kurhauses präsentierten; darunter der Zigarettenhersteller Philip Morris und der europäische Rüstungskonzern EADS.

Einen Stand im Foyer des Kurhauses hatten auch die Christdemokraten für das Leben (CDL) gebucht, ein Zusammenschluß von Lebensschützern innerhalb der CDU/CSU. Diese setzen sich vor allem für das ungeborene Leben ein und engagieren sich gegen Abtreibungen. Bei dieser Initiative war man gespannt auf die Abstimmung über den Antrag des Landesverbands Hessen, in dem dieser fordert, die geltenden Abtreibungsregeln im Grundsatz zu überarbeiten.

Im Antrag heißt es, daß Abtreibungen in Deutschland als "legale Möglichkeit der nachträglichen Verhütung wahrgenommen werden", es sich jedoch um einen "rechtswidrigen Akt" handele. Man fordere eine "klare Gesetzesregelung, die das ungeborene Leben besser schützt" und "Abtreibungen grundsätzlich verbietet". Auch solle in Schulen schon auf das Unrecht der Tötung eines ungeborenen Kindes hingewiesen werden.

Fast alle Anträge wurden während der Tagung im Sinne der Antragskommission abgenickt. Nur bei dem Aufruf des Antrags zum Thema Abtreibung wurde trotz der zunächst empfohlenen "Annahme" kurzfristig eine andere Entscheidung der Antragskommission getroffen. Man habe sich wegen "der Komplexität und einer grundsätzlichen Überarbeitung" des Themas entschlossen, diesen Antrag an den Bundesvorstand zu verweisen. Das stieß auf Kritik des Mitglieds des JU-Deutschlandrates, Jochen Steinkamp, der dazu aufrief, sich endlich des Themas Abtreibung anzunehmen. Auch der bayerische JU-Landesvorsitzende Manfred Weber schloß sich der Kritik Steinkamps an. Trotz allem votierten die Delegierten mehrheitlich, der Antragskommission zu folgen und den Antrag mit der Nummer 8 an den Bundesvorstand zu verweisen.

Enttäuscht über die Abstimmung, forderte Steinkamp gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, daß die Junge Union wieder "wertkonservatives Bollwerk" werden und man sich auch des Themas Abtreibung "annehmen muß". Wie die CDU insgesamt agiere, stoße auf größeren Widerspruch bei vielen; "wertkonservative Positionen finden jedoch immer größeren Anklang und haben Zuspruch innerhalb der JU".

Hinter vorgehaltener Hand berichtete ein weiteres Mitglied der JU, daß schon am Freitag der Vorsitzende Mißfelder den hessischen JU-Vorsitzenden Peter Tauber gebeten haben soll, seinen Abtreibungs-Antrag zurückzunehmen. Der Bundesvorsitzende habe wegen des brisanten Themas insgeheim Angst vor einer Medienkampagne. Er wolle nicht von der Frauenzeitung Emma oder anderen Medien kritisiert werden. Daß das Thema jetzt in den Bundesvorstand verschoben wurde und man erst einmal Ruhe habe, sei erwartet worden, so der JU-Delegierte gegenüber der JF.

Wertkonservative Themen konnten die Delegierten auch vom CSU-Generalsekretär Markus Söder bei dessen Grußwort erwarten. In seiner launigen Rede forderte der ehemalige Vorsitzende der bayerischen JU die Jungpolitiker auf, weiterhin unbequem zu bleiben und trotzdem den Kurs der Bundesregierung zu unterstützen.

Der CSU-Generalsekretär bekräftigte, daß die Türkei nicht in die Europäische Union gehöre. Frenetischen Applaus und Zuspruch bekam er auch für sein Bekenntnis, daß "in Klassenzimmer ein Kruzifix, aber keine Kopftücher gehören".

Zum Schluß nahm er sich auch des Themas Demographie an. Söder gratulierte Mißfelder zu dessen Eheschließung und äußerte die Hoffnung auf Nachwuchs zum nächsten Deutschlandtag. Als Vornamen für die Kinder empfahl er dem JU-Vorsitzenden "Angela" und "Edmund".


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