© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/06 27. Oktober 2006

Frisch gepresst

Staatsbankrott. Kann ein Staat pleite gehen? Auch nach der jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, den ein "abgehängtes Prekariat" darstellenden Berliner Haushalt nicht zu "retten", muß diese Frage verneint werden. Denn obwohl der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit bereits ankündigt, nun die anfallende Zinsbelastung von etwa 2,5 Milliarden Euro nur noch durch neue Schulden bedienen zu können, ändert das wenig an der Kreditwürdigkeit Berlins. Die führende Rating-Agentur Moody's beläßt die Einstufung bei der vierhöchsten Bonitätsstufe AA3 - ein Wert, um den das bestorganisierte und gewinnbringendste Unternehmen in der Privatwirtschaft Berlin beneiden müßte. Der mit über 1,5 Billionen Euro verschuldete Staat hat sogar die höchste Bonitätsstufe AAA. Den Analysten Günter Hannich beeindrucken diese Einstufungen herzlich wenig, sieht er darin nicht weniger als den Weg in ein apokalyptisches Ende. In seiner lesenswerten Generalabrechnung mit den ursächlichen Weichenstellungen der Vergangenheit bereitet er den Leser sorgsam auf den nächsten Währungscrash vor (Staatsbankrott. Wann kommt die nächste Währungsreform? Jochen Kopp Verlag, Rottenburg 2006, gebunden, 186 Seiten, 14,90 Euro).

 

Demokratiekrise. Der Leipziger Historiker Werner Bramke, Jahrgang 1938, zählte einst als Direktor der Sektion Geschichte an der Karl-Marx-Universität formell zu den Spitzenkadern der DDR. Von 1994 bis 2003 saß er als "parteiloses Mitglied der PDS-Fraktion" im Dresdner Landtag. Darum bietet sein Buch "Die Krise der Demokratie" (Erfahrungen aus einem ostdeutschen Landtag, Faber & Faber, Leipzig 2006, broschiert, 263 Seiten, 18 Euro) hingebungsvoll geführte Nachhutgefechte in Sachen personeller "Abwicklung" der DDR, die dem Rechtsstaat der BRD kein gutes Zeugnis ausgestellt habe. Dem zentralen Krisensymptom, dem Abbau des Sozialstaats, widmet sich Bramke hingegen vergleichsweise kurz. Die Alternative zur ökonomischen und kulturellen Hegemonie des Neoliberalismus bleibt zudem in Schlagworten stecken: ein "soziales Europa" als Gegengewicht zur Globalisierung US-amerikanischer Prägung, eine Übernahme des "Modells Skandinavien", damit die Ausweitung der "Unterschichten"-Zone nicht die parlamentarische Demokratie in den Orkus reißt. Da ist der Bedeutungsverlust der Parlamente im immer schwerfälligen föderalen System nur mehr widrige Begleiterscheinung.


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