© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/06 03. November 2006

Kafkaeske Konstruktion
CDU-Parteiausschluß: Martin Hohmann unterliegt vor dem Berliner Kammergericht
Fabian Schmidt-Ahmad

Das Kammergericht Berlin hat den Ausschluß des ehemaligen Bundestagesabgeordneten Martin Hohmann aus der CDU für rechtens erklärt. Es folgte damit einem Urteil des Landgerichtes vom November vergangenen Jahres, gegen das Hohmann Berufung eingelegt hatte (JF 45/05). Er kündigte nach der Urteilsverkündung am vergangenen Freitag an, notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.

Zur Erinnerung: Im Jahr 2003 hielt Hohmann am Tag der Deutschen Einheit eine Rede vor Mitgliedern des CDU-Ortsverbandes in Neuhof bei Fulda. Diese Rede wurde als Manuskript auf der Internetseite des Verbandes veröffentlicht. Einige Wochen später verbreitete zunächst die ARD die Falschmeldung, Hohmann habe die Juden "ein Tätervolk" genannt. Das Ergebnis war ein ebenso gewaltiges wie verzerrendes Medienecho, das Hohmann des Antisemitismus beschuldigte. Ein falscher Vorwurf, wie das Kammergericht eindeutig feststellte.

Als Reaktion verurteilte das Präsidium der CDU die Äußerungen Hohmanns und erteilte ihm "eine scharfe politische Rüge". In einem Interview zwei Tage später schloß die CDU-Vorsitzende Angela Merkel weitergehende Sanktionen aus. Wohl aufgrund der dennoch zunehmenden, bizarr verengten Aufmerksamkeit durch öffentliche Medien kündigte sie jedoch eine Woche später ein Parteiausschlußverfahren an. Im Juli 2004 beschloß das CDU-Parteigericht Hessens den Auschluß Hohmanns aus der Partei. Gegen diesen Entscheid ging Hohmann juristisch vor.

Ein zentraler Vorwurf der Klägerschaft Hohmanns ist dabei die massive Verletzung des Prinzips des "Ne bis in idem". Dieses Recht - Grundlage jeden ordentlichen Strafverfahrens - besagt, daß niemand für die gleiche Tat zweimal belangt werden darf. Nach gültigem Statut der CDU steht der Partei zur Maßregelung ihrer Mitglieder unter anderem die "Verwarnung" und der "Verweis" zu. Offensichtlich handelt es sich bei der Rüge um eine solche Maßregelung, die Hohmann als solche auch akzeptierte und sich öffentlich entschuldigte. Nach dem Prinzip "Ne bis in idem" wäre eine weitere Maßregelung unrechtmäßig.

Diese Schlußfolgerung lehnte das Kammergericht ab, da das Präsidium in seiner Sitzung nicht von "Verwarnung" oder "Verweis" sprach, sondern das deutsche Synonym "Rüge" verwendete. Diese Rüge sei im Sinne einer "politischen Schadensbegrenzung" zu verstehen und hätte mit "dem Sachverhalt als solchen" nichts zu tun. Eine interessante Unterscheidung, welche die Frage aufwirft, inwieweit dann das anschließende Parteiausschlußverfahren wohl eher "mit dem Sachverhalt als solchen" und nicht mit einer "politischen Schadensbegrenzung" beschäftigt war.

Wie die Gerichte zuvor, lehnte es auch das Kammergericht ab, sich inhaltlich mit der Rede Hohmanns auseinanderzusetzen - deren rein faktenmäßige Wahrheit es annahm -, sondern betrachtete diese in Hinsicht auf ihre äußere Wirkung, durch die Hohmann "fahrlässig" gegen Grundsätze der Partei verstoßen und ihr schweren Schaden zugefügt habe. Das Gericht kritisierte Hohmanns "Ungeschick", für seine Argumentation das sensible Thema der deutsch-jüdischen Vergangenheit heranzuziehen. Er hätte anstelle des jüdischen Volkes lieber eine andere Nation als Beispiel wählen sollen, schlug ein Richter vor.

Es sei dahingestellt, inwieweit das CDU-Parteigericht "angemessen" auf das "Ungeschick" reagierte. Fakt bleibt, daß es nach dem Prinzip "Ne bis in idem" überhaupt nicht zuständig war. Denn leider dürfte die kafkaeske Konstruktion des Kammergerichts falsch sein. Die "Rüge" kann nur dann nicht als "Verwarnung" oder "Verweis" gelten, wenn sie bestimmte formale Kriterien nicht erfüllt. Aus dem Statut der CDU ist aber eindeutig der formlose Charakter dieser Maßregelungen ersichtlich. Die handschriftlich protokollierte und öffentlich bekanntgegebene Rüge eines Teils des Bundesvorstandes genügt dem allemal.

So ist es nicht verwunderlich, daß der anwaltliche Vertreter der CDU, Christofer Lenz, seinen ausdrücklichen Vorbehalt gegen die Anwendung des Prinzips "Ne bis in idem" auf die Parteigerichtsbarkeit der CDU äußerte. Und in der Tat gibt es Parteigerichte, die dieses grundlegende Recht nicht kennen. In denen Angeklagte auftreten, die stammelnde Bekenntnisse über angebliche Verfehlungen ablegen. In denen nicht der Sachverhalt, sondern allein die politische Wirkung interessiert. Offenbar schwebte Lenz ein solches Verfahren vor, als er Hohmann vorwarf, die Rede nicht insgesamt als "Hirngespinst" widerrufen zu haben. Gleichwohl der faktische Wahrheitsgehalt auch von ihm nicht in Abrede gestellt wurde. Allerdings ist in den Statuten der CDU der rechtsstaatliche Charakter der Parteigerichte festgeschrieben. Jedenfalls derzeit noch.

Foto: Martin Hohmann (l.) vor Gericht (2005): Doppelt bestraft?


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