© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/06 03. November 2006

Grenzwertige Kost
Dümmlich-provokativ: Larry Charles' Satirefilm "Borat"
Claus-M. Wolfschlag

Über Humor kann man bekanntlich trefflich streiten. Einige finden witzig, was andere nur als geschmacklos empfinden. Und Larry Charles Streifen "Borat" dürften viele als geschmacklos bewerten. Den Anfang machte der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew anläßlich eines Staatsbesuchs im September bei US-Präsident George W. Bush. Nasarbajew beschwerte sich über Äußerungen und Darstellungen in dem Film, die Kasachstan als einen hinterwäldlerischen Kommunistenstaat präsentierten, in dem Waffenschieberei, Prostitution und Verfolgung von Randgruppen zum Lebensalltag gehören würden.

Die Hauptfigur "Borat" dieses als Satire vorgestellten Roadmovies wird von Sacha Baron Cohen dargestellt. Cohen wird oftmals als "skandalträchtig" oder "politisch höchst unkorrekt" bezeichnet. Über die Qualität seiner "politischen Unkorrektheit" ließe sich allerdings trefflich streiten. "Antirassistische" Saubermännerei und dümmlich-provokatives Zurschaustellen von Negativklischees sind nämlich oft nur zwei Seiten einer Medaille. Der Provokateur dient dem Antidiskriminierungswächter als Rechtfertigung, jener läßt den Provokateur wiederum gewähren, da bei ihm jeder kritisch-politische Ansatz stets in der Albernheit verpufft. Sacha Baron Cohen ist jedenfalls einer der derzeit gefragtesten Komiker Großbritanniens. Vor allem seine Figur des HipHop-Underdogs "Ali G", auf MTV ausgestrahlt, machte ihn bekannt. Nach "Ali G in da house" und "Ricky Bobby - König der Rennfahrer" darf man ihn nun in der dritten Filmrolle als Borat Sagdiyev betrachten.

Der kasachische TV-Journalist Borat Sagdiyev, ein bekennender Sexist und Antisemit, der mit Inbrunst die angeblichen "Werte" seines Vaterlandes in die Welt tragen möchte, reist zu einer Fernsehdokumentation in die USA. Dort verwechselt der naive Tolpatsch Fahrstuhlkabinen mit seiner Schlafkammer, küßt wildfremde Menschen in der New Yorker U-Bahn, provoziert Feministinnen und Rodeobesucher, bringt Kotbeutel und eine dicke, schwarze Prostituierte zu einem Diner der besseren Gesellschaft mit und rast mit einem alten Eiswagen nach Kalifornien, weil er sich in den Kopf gesetzt hat, "Baywatch"-Star Pamela Anderson zu ehelichen.

Fans des Komikers kritisierten bereits, daß "Borat" einfallslos vor allem recyceltes Material zeige, die neuen Ideen fehlten. Abschrecken dürfte auch die unkonventionelle Art von Humor. Zu einer der unästhetischsten Szenen gehört ein Streit Borats mit seinem dicken Manager, weil dieser zu einem Bilderheft von Pamela Anderson zu onanieren gedachte. Die beiden nackten Männer ringen und wälzen sich durch das Hotelzimmer, durch die Gänge und die Lobby und strecken mehr als einmal der Kamera ihre haarigen Hinterteile entgegen. Ästheten dürfte dabei kaum zum Lachen zumute sein.

Trotz alledem verfügt der Film auch über wirklich lustige Sequenzen, in denen sogar ein bißchen Hintersinnigkeit durchschimmert. Ohne dies wäre "Borat" völlig unerträglich.


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