© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/06 10. November 2006

Holt unsere Soldaten zurück!
Gerd-H. Komossa

Wohldosiert veröffentlichte die Bild-Zeitung Ende Oktober täglich neue Fotos von deutschen Soldaten in Afghanistan, die in Uniform mit Schädeln und Gebeinen von Toten posieren. Ganz Deutschland ist empört über diese geschmacklose Zurschaustellung. Die afghanische politische Führung fordert Konsequenzen.

Wer über diese Soldaten, die sich mit Schädeln und Gebeinen von Toten fotografieren ließen, sein Urteil fällt, sollte aber, dies wäre zu empfehlen, nicht nur die Soldaten vor der Aufklärung des Falls verurteilen, sondern zugleich darüber nachdenken, wie so etwas geschehen konnte. Er sollte sich die Frage stellen, ob deren sicherlich zu verurteilendes Verhalten auch dann möglich gewesen wäre, wenn die Afghanen ihre Toten oder die ihrer Gegner nach den Regeln ihrer Religion ordnungsgemäß bestattet hätten. Die Afghanen aber haben diese Gebeine über Jahre auf einer Müllhalde liegen gelassen, an der deutsche Soldaten täglich vorbeifahren müssen, stets in der Gefahr, angegriffen und getötet zu werden. Darüber wäre nachzudenken.

In den Weiten Rußlands, die vor mehr als 60 Jahren Schlachtfelder waren, finden die Angehörigen deutscher Soldaten noch heute Skelette ihrer Väter und Brüder auf Feldern und am Wegrand wie auch ausgeraubte Gräber. Auch davon wurden Fotos gemacht. Doch nur wenige Zeitungen haben diese veröffentlich. Es ist auch nicht bekannt, ob sich jemals ein Mitglied der Bundesregierung oder des Deutschen Bundestages darüber empört hätte.

Dabei ist durchaus die Frage zulässig, ob an den jüngsten, zumindest scheußlichen und geschmacklosen Vorfällen nicht jene eine Mitverantwortung tragen, die unsere Soldaten in einen militärischen Einsatz schicken, der bereits mehr als ein Dutzend tote Soldaten durch Waffeneinwirkung gefordert hat.

Es ist nicht zu vergessen, daß diese Soldaten in ihrem Einsatz auf Patrouillenfahrten wiederholt aus dem Hinterhalt beschossen und auf ihre Camps Raketen abgefeuert wurden. Dieser Krieg, in den unsere Soldaten geschickt werden, ist keine Sportveranstaltung mit fairem Spiel. Er ist schon zu oft blutiger Ernst geworden. Daher ist die Bundesregierung weiterhin aufzufordern: Holen Sie unsere Soldaten so schnell wie möglich zurück in die Heimat! Sich über das Fehlverhalten Einzelner zu empören, ist eine Sache, die Suche nach den wahren Verantwortlichen eine andere.

 

Gerd-Helmut Komossa ist Generalmajor a.D. und war von 1977 bis 1980 Chef des Militärischen Abschirmdienstes der Bundeswehr.


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