© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/06 17. November 2006

Schlußstein der deutschen Einheit
Gedenkpolitik: In Berlin wird über die Errichtung eines deutschen Nationaldenkmals diskutiert / Einweihung am 9. November 2009?
Ekkehard Schultz

Brauchen wir ein nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal?" Diese Frage stand im Mittelpunkt einer öffentlichen Veranstaltung, zu der die Deutsche Gesellschaft e.V. am vergangenen Donnerstag in den Festsaal des Berliner Rathauses eingeladen hatte. Rund 300 Gäste folgten den Vorträgen und Diskussionen des letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière; des Fraktionschefs der SPD in der letzten Volkskammer, Richard Schröder, sowie des Pariser Publizisten Alfred Grosser.

Bereits im Mai 1998 hatten de Maizière, der Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, Florian Mausbach, der Publizist Jürgen Engert und der DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke eine solche Idee umrissen. 2000 kam es auf ihre Initiative zu einem entsprechenden Gruppenantrag von 171 Bundestagsabgeordneten im Parlament, der jedoch damals mehrheitlich abgelehnt wurde. Nun soll ein neuer Versuch gewagt werden, mit dem Ziel, am 9. November 2009 das Denkmal einzuweihen.

Richard Schröder ging in seiner Rede vor allem auf die Bedeutung des mitteldeutschen Freiheits- und Einheitskampfes ein. Als 2000 in Frankreich nach dem wichtigsten politischen Ereignis im Europa des 20. Jahrhunderts gefragt wurde, wurde der Fall der Berliner Mauer im November 1989 an zweiter Stelle genannt. Bei einer vergleichbaren Befragung in Deutschland tauchte dieses Ereignis dagegen in den vorderen Rängen nicht auf, statt dessen dominierte die Zeit des Nationalsozialismus.

Man habe daher den Eindruck, so Schröder, als wollten sich die Deutschen selbst nur noch über negative und pessimistisch stimmende Ereignisse definieren. Dabei könne kein Volk nur aus dem eigenen Versagen Identität, Stabilität, inneren Zusammenhalt sowie inneren Frieden gewinnen. Gerade daher sei die Errichtung eines Denkmals aus einem freudigen Anlaß heraus eine dringende Notwendigkeit, Es solle dabei keineswegs nur dem Zweck der Erinnerung, sondern mindestens ebenso stark der Ermunterung für die gemeinsame Zukunft dienen.

Auch de Maizière hielt fest, daß es in Berlin noch kein Denkmal gebe, mit dem eine Bewegung des Volkes eine durchweg positive Betonung erfahre. Die errungene Freiheit von 1989/90 war "nicht nur die Freiheit der Ostdeutschen", so de Maizière. Die West-Berliner erhielten im Zuge der friedlichen Revolution in der DDR ihre Freiheit zurück, ohne Einmauerung und Grenzkontrollen das Umland ihrer Stadt und die Ostsektoren jederzeit und ohne Hinderung betreten zu können. Und auch die Westdeutschen erhielten erst 1989/90 ein wesentliches Stück Freiheit zurück: "Denn kann das Volk wirklich frei sein, wenn ein Teil des Volkes nicht in Freiheit lebt?" fragte der ehemalige DDR-Ministerpräsident.

Kritische Anmerkungen von Alfred Grosser

Der Fall der Berliner Mauer habe 1989 einen Dominoeffekt in Osteuropa ausgelöst, dessen Menschen nun ebenfalls ihre Freiheit erringen konnten. Die deutsche Einheit sei der Schlußpunkt dieser Entwicklung gewesen: Denn in vielen ehemaligen Ostblockstaaten - so im Polen der achtziger Jahre - hätten viele Menschen fest daran geglaubt, daß erst nach der deutschen Wiedervereinigung eine Rückkehr ihrer Länder nach Europa möglich sei.

Als Standort für ein Denkmal schlug de Maizière den Berliner Schloßplatz vor, wo früher das Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. stand. Direkt auf dem Sockel des Denkmales, das die Kommunisten nach 1945 abreißen ließen, könne nunmehr sowohl auf die historische Kontinuität verwiesen werden, zum anderen aber auch darauf, daß 1989/90 die Einheit Deutschlands nicht von "oben" hergestellt worden sei, sondern auf der freien Entscheidung des Volkes beruhte.

Skeptischer zur Errichtung und vor allem zu der Aussage eines solchen Denkmals äußerte sich dagegen Alfred Grosser. Zwar begrüße er es, daß die Deutschen "ein freudiges Monument" und nicht nur ein Mahnmal planten. Allerdings dürfe man dabei "keine gesellschaftliche Gruppe vergessen, die auch um die Freiheit gerungen habe". Nach seiner Auffassung haben auch "viele Kommunisten für die Freiheit in Deutschland gekämpft", indem sie sich dem Nationalsozialismus widersetzten. Nun entstehe aber den Eindruck, so Grosser, daß das Denkmal gegen die Kommunisten und ihre Erben errichtet werden solle. Dies sei auch daher problematisch, weil sich die Oppositionsbewegung in der DDR lange Zeit für Veränderungen innerhalb des Regimes und nicht für dessen Beseitigung eingesetzt hätte. Erst ganz am Schluß sei es auch um "Freiheit vom kommunistischen System" an sich gegangen - deutlich "anders, als es begonnen hat". Eine vorbehaltlose Zustimmung zu einem nationalen Freiheits- und Einheitsdenkmal, könne er daher nicht geben, sagte Grosser.

Dagegen betonten Schröder und de Maizière auch während der Diskussionsrunde mit dem Publikum ihr klares und eindeutiges Ja zum Denkmal. Schröder stimmte de Maizière zudem nachträglich zu, daß ein solches "Freudenmal" sehr gut auf den Schloßplatz und zur Fassade des Stadtschlosses passe - "auch als Erweiterung der Berliner Museumsinsel".

Wer sich an der Diskussion um die Errichtung eines nationalen Freiheits- und Einheitsdenkmales beteiligen möchte, kann dies auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft ( www.deutsche-gesellschaft-ev.de) oder per E-Post (dg@deutsche-gesellschaft-ev.de) tun. Ein Teil dieser Beiträge soll später in Buchform publiziert werden.

Foto: Fundament des alten Nationaldenkmals am Schloßplatz in Berlin: Möglicher Standort


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen