© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/06 24. November 2006

Aufgeschnappt
Mitteldeutsche Zwistigkeiten
Matthias Bäkermann

Die freundliche Geste aus der Landeshauptstadt kam nicht bei allen Hallensern an: Letzten Sonntag zerstörten Unbekannte die Skulptur "Magdeburger Halbkugeln" am Riebeckplatz, indem sie eins der 1,20 Meter großen Kunstwerke aus der Verankerung rissen und dabei beschädigten. Anläßlich des 1.200 Stadtjubiläums hatte Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper am 29. Oktober diese als Geschenk in die Saalestadt mitgebracht. Das von Kindern bunt bemalte Halbkugelpaar, das vorher im Magdeburger Elbauepark an den berühmten Sohn der Stadt, Bürgermeister und Naturwissenschaftler Otto von Guericke und sein berühmtes Vakuum-Experiment erinnerte, zierte erst seit wenigen Wochen den neugestalteten Verkehrsknotenpunkt.

Was ursprünglich nach blinder Zerstörungswut aussah, entpuppte sich jedoch bei näherer Betrachtung als Vandalismus mit regionalhistorischer Botschaft. Am Sockel der zerstörten Plastik befand sich ein Bekennerschreiben in Klarsichtfolie: "Halle an der Saale braucht kein Symbol der Herrscher und kein trojanisches Pferd einer Möchtegernhauptstadt Machteburg". Offenbar haben die Täter immer noch nicht die historische Niederlage aus dem Jahr 1990 verwunden. In einer knappen Abstimmung im ersten Landtag wurde Magdeburg zur Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts gewählt, obwohl Halle zwischen 1947 und 1952 diese Rolle einnahm und auch 1990 nach der Zusammenlegung der DDR-Bezirke Halle und Magdeburg auf dieses ältere Recht pochte. Die Behörden ignorieren übrigens alle politischen Merkmale des Anschlags: Statt des Staatsschutzes ermittelt die Polizei, und zwar nur wegen Sachbeschädigung.


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