© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/06 24. November 2006

Frisch gepresst

Imre Nagy. Der ungarische Historiker János M. Rainer ist Direktor des Instituts für die Geschichte der Ungarischen Revolution 1956 in Budapest. Vor zehn Jahren veröffentlichte er bereits eine umfangreiche Biographie über Imre Nagy, der in der kurzen Zeit vom 24. Oktober bis zur Niederschlagung durch die Rote Armee nach dem 4. November 1956 als Ministerpräsident zur tragenden politischen Figur dieser Revolution wurde. Anläßlich des Gedenkens an den Ungarnaufstand vor fünfzig Jahren, hat er diese Biographie nun in gestraffter Form vorgelegt (Vom Parteisoldaten zum Märtyrer des ungarischen Volksaufstandes. Eine politische Biographie 1896-1958. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2006, 282 Seiten, gebunden, 29,90 Euro). Rainer ist - das klingt nicht nur im Buchtitel an - eine große Verehrung seines Helden schwer abzuleugnen. So haftet der insgesamt fesselnden Darstellung über den kleinen Angestellten aus der westungarischen Provinz, dem als klassischem Kriegsjahrgang der Weg über russische Kriegsgefangenschaft und Kampf für die "Roten" im Bürgerkrieg schicksalhaft in den Kommunismus wies, beinahe etwas Verklärendes an. Natürlich verblassen unrühmliche Stationen seiner Vita vor der mutigen Haltung 1956, die den geläuterten Stalinisten zwei Jahre später nach einem Schauprozeß an den Strick brachten. Nichtsdestotrotz hätte man gerne etwas mehr über Nagys Wirken im fünfzehnjährigen Moskauer Exil erfahren, als Rainer uns auf dürftigen zwölf Seiten mitteilt.

Pamir. Westlich der Azoren versenkt im September 1957 ein Wirbelsturm das frachttragende Segelschulschiff auf seinem Weg von Buenos Aires in den Heimathafen Hamburg. Nur sechs von 86 Seemännern - die meisten Offiziersschüler der Handelsmarine, die ihr Handwerk noch "unter Segeln" erlernen sollen - überleben diese größte Tragödie der deutschen Nachkriegsschiffahrt. Der sehr zu lobenden Entwicklung folgend, Themen und Ereignisse der eigenen Geschichte filmisch aufzugriefen und zu würdigen (wie Lengede, Luftbrücke etc.) hat Drehbuchautor Fritz Müller-Scherz den "Roman zum Fernsehfilm" (22./24. November, ARD 20.15 Uhr) geschrieben. Das wenig begeisterte Urteil eines Pamir-Überlebenden ist nicht nur durch die vergeblich bemühte Rekonstruktion einer Fünfziger-Jahre-Atmosphäre nachvollziehbar (Der Untergang der Pamir. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2006, 287 Seiten, broschiert, 8,90 Euro).


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