© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/06 24. November 2006

Meldungen

Von der Universität zum Bildungskonzern

BERLIN. Die politische Absichtserklärung von Bologna (1999), in Europa ein einheitliches System von Leistungsbewertungen und Studienabschlüssen zu schaffen, ist inzwischen weitgehend in die deutsche hochschulpolitische Realität umgesetzt worden. Nur die Staatsexamenstudiengänge blieben bislang von der "Bachelorisierung" verschont. Das soll sich spätestens 2010 geändert haben. Daß diese Unifizierung hierzulande als "Verbetriebswirtschaftlichung" des Hochschulsystems, als Umbau der Universitäten zu "Bildungskonzernen" mit größtem bürokratischen Aufwand ins Werk gesetzt wird, gerät vor Beginn der "finalen" Phase immer stärker in die Kritik. So nehmen Martin Kutscha und Olaf Winkel die damit induzierte Forschungsorientierung an ökonomischen Interessen ins Visier (Blätter für deutsche und internationale Politik, 11/06). Die betreffe nicht mehr allein die Natur- und Ingenieurswissenschaften. Unter Bologna-Bedingungen wachse auch für die Kulturwissenschaften die Gefahr, "Themen und Positionen primär unter Aspekten ökonomischer Verwertbarkeit und politischer Opportunität" auszuwählen. Daß Politologen und Juristen "Gefälligkeitsgutachten" oder "parteikonforme Stellungnahmen" abliefern, ist indes kein erst nach 1999 auftretendes Phänomen. Unbestreitbar ist jedoch, daß die "Autonomie" der Hochschulen bei einer weiteren Öffnung für "wissenschaftsfremde Interessen" verlorengehen dürfte. Mit der "Aufwertung der ökonomischen Logik" zur Sicherung des "Wissenschaftsstandorts" scheint auch eine "Entdemokratisierung des Hochschulwesens" eingesetzt zu haben, der ungeachtet einiger Alternativvorschläge von Kutscha und Winkler nicht mehr gegengesteuert werden kann.

 

Die Legende der Canaris-Tagebücher

MÜNCHEN. Noch 2003 ließ das bloße Gerücht über die etwa in Spanien verborgenen "Canaris-Tagebücher" den Focus eine Sensation wittern. Doch anders als einst beim Stern ließen sich die Markwort-Mannen fachlich beraten, so daß eine vergleichbare Panne vermieden wurde. Nach der jetzt in der Militärgeschichtlichen Zeitschrift (1/2006) publizierten akribischen Studie von Horst Mühleisen dürfte für alle Zukunft ausgeschlossen sein, daß diese "Legende" noch einmal journalistisch vermarktet werden kann. Mühleisen, der in Randbemerkungen auch viele Canaris-Biographen "erledigt", die sich mit dieser Mär verkaufsfördernd wichtig machen wollten, vermag schlüssig nachzuweisen, daß die Tagebücher 1945 auf Befehl Kaltenbrunners verbrannt wurden. Dabei habe es sich ohnehin nur um eine 1943 bereits auf Veranlassung des vorsichtigen Admirals "gesäuberte" Fassung gehandelt. Belastender und letztlich das Todesurteil gegen Canaris auslösend erwiesen sich die gegen jede konspirative Übung aufbewahrten "Oster-Dohnanyi-Akten", die der Gestapo nach dem 20. Juli 1944 in die Hände fielen. Insoweit hätten die "Canaris-Tagebücher" auch als Belastungsmaterial nur eine sekundäre Rolle gespielt.


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