© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/06 01. Dezember 2006

Offene Fragen
Der Türkeibesuch des Papstes gilt vor allem den bedrohten Christen
Wolfgang Ockenfels

Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten ..." Manchmal findet auch ein Zitat, von dem man sich distanziert, seine inhaltliche Bestätigung durch die Art und Weise der Reaktionen. Bei seiner Regensburger Vorlesung zum Thema "Glaube, Vernunft und Universität" hatte Papst Benedikt XVI. den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos zitiert. Der Text ist seitdem zu einem Klassiker geworden.

Die Reaktionen großer Teile der islamischen Welt auf das besagte Zitat bewiesen, daß sie ein Problem mit der Vernunft hat, das sich jederzeit zu einem Gewaltproblem auswachsen kann. Papstpuppen wurden verbrannt, Kirchen zerstört, Morddrohungen ausgestoßen und auch realisiert. Dies zeigt, wie schnell sich Muslime beleidigt fühlen, wenn sie als Masse propagandistisch manipuliert werden. Gegen die organisierte Spontaneität des Protests ist auch ein päpstlicher Staatsbesuch machtlos, der sich diplomatisch jeglicher Provokation enthält. Doch schon die bloße Erwähnung der reziprok geltenden Religionsfreiheit und anderer Menschenrechte kann zu einem Stein des Anstoßes werden, der als Wurfgeschoß benutzt wird.

Den Zusammenhang von Glauben und Vernunft zu klären, ist das Leitmotiv des gegenwärtigen Pontifikats und war das Generalthema der Regensburger Rede: eine gewaltige Herausforderung für jeden Fundamentalismus. Freilich bleibt das Aufgreifen des Gewaltproblems von der Sache her geboten und durch bestimmte Erfahrungen auch naheliegend: Wenn der Glaube nicht durch Vernunft vermittelt wird, drängt die Gewalt ins Spiel und diskreditiert den Glauben. Das bezeugt leider auch die Geschichte der Kirche.

Benedikt XVI. zitierte auch den Koran, und zwar mit der Sure 2,256, in der der "frühe", noch machtlose und bedrohte Mohammed "kein Zwang in Glaubenssachen" forderte. Der Papst hätte natürlich auch die späteren, den "Heiligen Krieg" betreffenden Stellen zitieren können. Wie werden diese Stellen heute ausgelegt? Warum werden die Gewalttäter nicht exkommuniziert? Mit diesen Fragen werden das Hauptthema und auch das Hauptdilemma des christlich-islamischen Dialogs aufgeworfen.

Dialog bedeutet die Suche nach einem gemeinsamen Sinnbestand - besonders in Sachen Frieden und Gewaltlosigkeit. Dabei kann es freilich passieren, daß die Vernunft ausrastet und an ihrer Stelle Drohungen, Einschüchterungen und Terror treten. Die allgemeine Geschäftsgrundlage für einen rationalen Dialog entfällt auch dann, wenn geschichtliche Erfahrungen und entsprechende Zitate ausgeschlossen werden sollen. Fast unmöglich wird der Dialog, wenn ein Dialogpartner nicht als repräsentativ identifizierbar ist und seine wahren Absichten nicht erkennen läßt.

Auf dem Programm der Papstreise in die Türkei steht vor allem die Begegnung mit den orthodoxen Christen, die im eigenen Land einen schweren Stand haben und im Papst zu Recht einen Verbündeten suchen. Als "Pontifex Maximus" nimmt der Papst gewiß auch Möglichkeiten wahr, zwischen Christen und Muslimen Brücken zu bauen. Für den künftigen, weltweit zu führenden christlich-islamischen Dialog bildet die Türkei eine strategisch günstige Ausgangslage. Aber auch hier lauten schließlich die zentralen Preisfragen des Dialogs: Wie weit kann sich der Islam jeweils auf die allgemeine Religionsfreiheit einlassen? Wie weit läßt er sich unter demokratischen Prämissen entpolitisieren, also von staalicher Macht trennen? Wie weit lassen sich die islamischen Glaubensgemeinschaften institutionalisieren?

Auf diese Fragen hätte zunächst ein innerislamischer Dialog zwischen den rivalisierenden Gruppen Antworten zu finden. Dieses Dialogs bedurfte es schon, um repräsentative Partner für den interreligiösen Dialog zu benennen. Speziell in Deutschland würde man gerne einiges über die Inhalte des geplanten islamischen Religionsunterrichts erfahren, bevor er staatlich - in Konkordanz mit der türkischen Religionsbehörde - eingerichtet werden soll.

Was den Dialog behindert, sind nicht allein die Tabus in den islamischen Ländern. Auch im liberalen Westen kann die Aufklärung über den Islam sehr riskant sein. Gemeint sind nicht die lyrischen Verunglimpfungen im Stile eines Salman Rushdies oder geschmacklose Karikaturen und Theaterinszenierungen, denen es am nötigen Respekt mangelt. Es ist die moderne theologische Forschung, die auf eine historisch-kritische Exegese des Korans, mithin auf die Entmythologisierung Mohammeds hinausliefe: Welche Rollen spielte der "historische" Mohammed - als Religionsgründer, Geschäftsmann, Politiker, Heerführer und Privatmensch? Doch vor einer solchen "Blasphemie", die dem Christentum nicht erspart blieb, schrecken sogar westliche Islamforscher zurück - aus Angst vor muslimischen Sanktionen.

Im Dialog sind also noch viele Toleranzgrenzen zu überwinden. Das gilt vor allem für die islamische Welt. Für die christlich geprägte Kultur gilt: Nur der kann sich an friedensstiftenden Dialogen kompetent beteiligen, der sich seiner eigenen angestammten christlichen Tradition bewußt wird und sich der religiösen Grundlagen der Humanität vergewissert.

 

Prof. Dr. Wolfgang Ockenfels OP ist Theologe, Sozialwissenschaftler und Publizist.


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