© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/06 01. Dezember 2006

Armes Transitland
Energiepolitik II: Ukraine bietet der EU Atomstrom an
Jörg Fischer

Anläßlich des zweiten Jahrestages der "Orangen Revolution" tourte die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko durch die EU. Letzten Donnerstag machte die inzwischen 46jährige "Ikone der Revolution" Station in Berlin. Die von Gegnern "Gasprinzessin" genannte Politikerin sprach unter anderem vor der Unionsfraktion und dann im Ballsaal des Berliner "Adlon" vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik über die "Ukraine und die Energiesicherheit für Europa".

Nach einer kurzen Einführung zur politischen Lage ihres Landes - seit August regiert wieder eine "russophile" Koalition unter dem 2004 am Ende geglaubten Premier Viktor Janukowitsch (JF 33/06) - erläuterte die jetzige Oppositionsführerin ihren Plan zur Rückeroberung der Macht: Ihre Partei entwickelt sich zum Sammelbecken der Opposition; das Amt des "orangenen" Präsidenten Viktor Juschtschenko wird durch eine erneute Verfassungsreform wieder gestärkt - und quasi im Gegenzug führt dieser Neuwahlen herbei, die der Timoschenko-Block dann angesichts der immer unpopulärer werdenden Regierung gewinnt.

Im Hauptteil ihrer Rede warb die frühere Chefin des Energiekonzerns EESU allerdings ganz "staatsmännisch" für ihr Land, das nicht nur wegen der enormen russischen Öl- und Gasvorräte im Schatten des großen Nachbarn steht. Die Ukraine sei nicht nur ein wichtiges Transitland für die Energieversorgung der EU, sondern selbst ein potentieller Energielieferant. Neben den vielgepriesenen erneuerbaren Energien setze man auf eine Renaissance der Kohle- und Atomtechnologie, denn von beiden Rohstoffen habe die Ukraine reichliche Vorkommen. Da Deutschland und viele EU-Länder ihre Energieversorgung wegen der großen Abhängigkeit von Rußland diversifizieren müßten, warb sie für den Plan einer von Rußland unabhängigen Energietrasse von Georgien durch das Schwarze Meer in die Ukraine. Sie könnte Europa einen störungsfreien Zugang zu den Energiequellen am Kaspischen Meer und Zentralasiens ermöglichen.

Eine interessante Erkenntnis brachte die Frage des frühen Verteidigungsministers Volker Rühe, der angesichts der Gaskrise Anfang 2006 (JF 2/06) wissen wollte, warum man die Öl- und Gasleitungen in der Ukraine nicht längst "privatisiert" habe. Die seien nationales Eigentum, für einen Verkauf gebe es weder im Volk noch im Parlament eine Mehrheit. Worauf der Ex-CDU-Generalsekretär entgegnete: Da sei eben politische Führung gefragt. Hätte man in Deutschland aufs Volk gehört, wäre der Euro nie eingeführt worden.


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