© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/06 01. Dezember 2006

Frisch gepresst

Singuläres. Die Festgirlanden schlackern, der Sekt schalt, die müden Kellner werden patzig. Die große Feier des bundesdeutschen Feuilletons klingt aus. Der vielbesungene zweite Band des "Lebenswerks" von Saul Friedländer über "Das Dritte Reich und die Juden" (Die Jahre der Vernichtung 1939-1945, Verlag C. H. Beck, München 2006, 864 Seiten, gebunden, 34,90 Euro) kann endlich nüchtern gemustert werden: Es ist nicht der landauf, landab gefeierte "große Wurf", sondern wohl eher ein "großer Murks". Der gern öffentlich Präsenz suchende Friedländer erlegte sich ausweislich seines Apparats selten die Fron in einsamen Archiven auf. Vielmehr fügte er Textbausteine seines Computers zusammen, um die Geschichte des europäischen Judenmords zu schildern. Bis auf die stärker berücksichtigte "europäische Kollaboration" präsentiert Friedländer kaum etwas, was wir nicht schon bei Raul Hilberg et al. nachlesen könnten. Selbst für die intellektuelle Durchdringung des "singulären" Ereignisses müssen wir nach wie vor nicht Friedländer zu Rate zu ziehen, da wir uns dem unvergleichlichen jüdischen Zeitzeugen Hans Günther Adler anvertrauen dürfen. Adlers "Der verwaltete Mensch" ("Studien zur Deportation der Juden aus Deutschland", Tübingen 1974) wiegt mit jeder Zeile seines Eintausend-Seiten-Opus die fast allseits gepriesene Friedländer-Kompilation auf. Schade nur, daß 2005 nur Adlers "Theresienstadt"-Buch einen Nachdruck im Göttinger Wallstein Verlag erfahren hat. Wäre der monströse "verwaltete Mensch" günstig im Nachdruck statt so aberwitzig selten wie teuer antiquarisch verfügbar, könnte jedermann und jedefrau vergleichend feststellen, daß Friedländer einfach nur - um sich Heideggers Lakonie zu bedienen - erdrückend "viel Papier" produzierte.

Urfreunde. Die Geschichte, wie die Herren kleiner Bär und kleiner Tiger ihre Heimat am Fluß verlassen, um in Panama das Land ihrer Träume zu finden, zählt seit einem Vierteljahrhundert zu den Kinderbuch-Klassikern. Dem "Vater" der beiden Urfreunde, dem 1931 geborenen Oberschlesier "Janosch", hat der pekuniäre Erfolg ermöglicht, ins Land seiner Träume auszuwandern. Ob er sich dort auf den Kanaren über die pünktlich zum 75. Geburtstag realisierte Verfilmung seiner Geschichte gefreut hat, ist unbekannt. Zweifel daran sind angebracht, weil der im September gestartete Streifen nur "Motive" seiner Erzählung verarbeitet. Um aber einen abendfüllenden Film herzustellen, waren "Dramatisierungen" von erheblichem Ausmaß unerläßlich. Trotzdem, verglichen mit dem, womit jetzt wieder vor Weihnachten Hollywood unsere Kleinsten erschreckt, ist "Oh, wie schön ist Panama" ein Meisterwerk kindgerechter, gewaltfreier Entschleunigungskunst. Das von Antje Bones verfaßte Begleitbuch ist ein wenig textlastig, bewahrt aber den Zauber des Stoffes und sollte, geeignet "für Kinder ab vier Jahren", auf keinem Gabentisch fehlen (Oh, wie schön ist Panama. Das Buch zum Film. Xerxes Verlag, Hamburg 2006, 80 Seiten, gebunden, Illustrationen, 9,95 Euro).


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