© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/06 01. Dezember 2006

Deutschland holt seine besten Köpfe zurück
In den USA wird durch das Projekt Gain für die Rückkehr deutscher Wissenschaftler in die Heimat geworben
Tim König

New York. Nur wenige Schritte vom United Nations Plaza, dem Hauptsitz der Vereinten Nationen, entfernt, an der Kreuzung von 49. Straße und First Avenue, befindet sich das Deutsche Generalkonsulat. Hier, im Deutschen Haus, hat sich seit mehr als drei Jahren eine junge Frau einem ehrgeizigen Projekt namens Gain verschrieben. Katja Simons ist die Projektleiterin des German Academic International Network, einer Initiative, die Ende 2003 auf Vorschlag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ins Leben gerufen wurde.

In Kooperation mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung hat sich Gain zur Aufgabe gemacht, dem oft zitierten "Brain-Drain" - der Abwanderung deutscher Wissenschaftler nach Nordamerika - entgegenzuwirken und einen "Brain-Gain" - also einen Ertrag oder auch Gewinn - zu erzeugen, indem diese Hochqualifizierten zur Rückkehr in die Heimat bewogen werden.

Allerdings hat Simons große Scheu, der "Deutschtümelei" bezichtigt oder mit ihrem Engagement nur in deren Nähe gerückt zu werden: "Natürlich ist es unser Ziel, deutsche Wissenschaftler zur Rückkehr in die Heimat zu bewegen, aber wir haben eigentlich mehr einen internationalen Fokus."

Wie viele deutsche Wissenschaftler derzeit in den USA tätig sind, ist nur schwer zu ermitteln. Verschiedenen Schätzungen zufolge liegt der Anteil der Deutschen, die beabsichtigen, nach der Promotion für längere Zeit in den Vereinigten Staaten zu bleiben, zwischen 25 und sechzig Prozent. Das amerikanische Pendant des deutschen Mikrozensus, das U.S. Bureau of the Census, hat die Zahl der deutschen Wissenschaftler, die als Deutschgebürtige, als "Resident Aliens" oder als Besitzer zeitlich begrenzter Visa im hochschul- oder hochschulnahen Bereich beschäftigt sind, für das Jahr 2004 mit 15.000 bis 20.000 angegeben. Gain selbst geht von etwa sechstausend promovierten Deutschen aus, die in den USA leben.

Das Problem, das sich für Deutschland stellt, ist, wie die im Jahr 2001 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung veröffentlichte "Talent-Studie" folgerichtig erkennt, nicht so sehr ein quantitatives, sondern vielmehr ein qualitatives. Dies liegt in der "doppelten Bestenauswahl" begründet. Doppelt zum einen, da sich nur die motiviertesten und talentiertesten Studenten und Doktoranden für die elitären Programme qualifizieren, und zum anderen, weil von diesen wiederum nur die Besten der Besten angenommen werden. Diese tummeln sich dann überwiegend an der Ostküste mit ihren Ivy-League-Universitäten und an der kalifornischen Westküste.

Keiner hat Deutschland für immer den Rücken gekehrt

Auch die Liste der Hochschulen, an denen diejenigen Deutschen forschen und lehren, die dem wissenschaftlichen Beirat von Gain angehören, liest sich wie die Crème de la Crème amerikanischer Bildungsinstitutionen: Yale University, California Institute of Technology, Columbia University, Stanford University, Harvard University und so weiter und so fort.

Diese Deutschen zur Rückkehr in die Heimat zu bewegen, ist kein Kinderspiel, sondern bedarf intensiver Bemühungen und Überzeugungsarbeit. Und so ist neben der Rückkehrförderung die Vernetzung der deutschen Wissenschaftler in Nordamerika ein primäres Ziel von Gain. Im Online-Wissenschaftlerverzeichnis von Gain sind bereits über eintausend Personen erfaßt. Des weiteren informiert die Initiative in ihrem Rundbrief regelmäßig über Perspektiven für Wissenschaftler in Deutschland, weist auf Veränderungen in der deutschen Hochschullandschaft hin und veröffentlicht Stellenausschreibungen und Stipendien.

Gain organisiert darüber hinaus in Zusammenarbeit mit seinen Partnern regelmäßig Veranstaltungen an amerikanischen Hochschulen. Die Veranstaltungen verfolgen primär das Ziel, deutsche Nachwuchswissenschaftler über Chancen und Rückkehrmöglichkeiten an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu informieren.

So treffen auf der Ende November dieses Jahres geplanten Städtetour, die unter anderem nach Boston, Chicago, San Francisco und San Diego führt, deutsche Wissenschaftler mit Jochen Feldmann zusammen, der als Prorektor der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) einen Hauptgewinners der Exzellenzinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vertritt , um über "die Trias der Exzellenz: Graduiertenschulen, Exzellenzcluster, Zukunftskonzepte (Neue Chancen für (Nachwuchs)-Wissenschaftler/innen)" zu diskutieren.

Der überwiegende Teil der bisherigen Veranstaltungen fand an der amerikanischen Ostküste statt, denn die dortigen Elite-Universitäten gehören zu den bevorzugten Zielen deutscher Nachwuchswissenschaftler. Gain besucht seit 2005 aber auch akademische Zentren im Landesinneren, so wie kürzlich in Austin, Texas, oder Chicago, Illinois. Die Resonanz ist grundsätzlich positiv. Keiner der anwesenden Wissenschaftler hat Deutschland abgeschrieben und für immer den Rücken gekehrt. Ganz im Gegenteil. Ein Großteil würde sogar gern wieder in der Heimat forschen und lehren. Doch wiegen für viele die strukturellen Probleme noch zu schwer.

Es sind die schlechten Aussichten vor allem im Mittelstand der Forschung und die im internationalen Vergleich sehr geringen Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Nur 2,5 Prozent des Bruttosozialprodukts werden derzeit dafür in Deutschland ausgegeben, weniger als in den USA, Japan, Südkorea, Finnland oder Schweden.

Bemängelt werden in erster Linie die zu starren Hierarchien, zu lange Habilitationsverfahren, ausgeblutete Institute und die vielerorts überbordende Bürokratie. Zu alldem gesellt sich ein der Forschung sehr kritisch gegenüberstehendes gesellschaftliches Umfeld. Hier sei exemplarisch nur an die Debatte zur Stammzellenforschung erinnert.

Foto: Hirnschrittmacher als ein Beitrag zum Deutschen Zukunftspreis 2006: Geringe Ausgaben für Forschung und Entwicklung


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