© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/06 08. Dezember 2006

Wäschetrockner und Computer sind Stromfresser
Umweltbilanz: Trotz Effizienzsteigerungen ist der Energieverbrauch der privaten Haushalte in Deutschland weiter gestiegen
Volker Kempf

Explodierende Öl- und Gaspreise, kein echter Wettbewerb auf dem Strommarkt und die Ökosteuer zusätzlich obendrauf, dafür umfangreiche staatliche Förderungen für Investitionen in Umwelt- und Klimaschutz - das hätte erwarten lassen, daß die privaten Haushalte in Deutschland ihren Energieverbrauch in den letzten Jahren eingeschränkt haben.

Doch die Studie "Die Nutzung von Umweltressourcen durch die Konsumaktivitäten der privaten Haushalte - Ergebnisse der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen 1995-2004", die vergangenen Monat gemeinsam vom Statistischen Bundesamt und Umweltbundesamt präsentiert wurde, kam zu einem gegenteiligen Ergebnis: "Trotz Effizienzsteigerungen" kam es im besagten Zeitraum zu einem höheren Energieverbrauch.

Immer mehr Ein- und Zweipersonenhaushalte

Haben also abschreckende Energiepreise einerseits und Wärmedämmung, Warmwasserkollektoren, effizientere Heizungsanlagen und Energiesparlampen andererseits nicht den gewünschten Effekt gebracht? Richtig ist, daß technische Neuerungen zugunsten der Umwelt Vorteile bedeuten. Die Problematik ist allerdings etwas komplexer. Das Konsumniveau kann steigen, und die soziodemographischen Daten können sich weniger günstig verändern. Dann ist die Umweltbilanz der privaten Haushalte in verschiedene Bereiche auszudifferenzieren. Berücksichtigt man die verschiedenen Faktoren, fällt die Gesamtbilanz gemischt aus. Verschlechterungen in einigen Bereichen stehen auch Verbesserungen gegenüber.

Die Bevölkerungszahl ist zwar mit 82 Millionen nahezu unverändert geblieben. Verändert hat sich aber die Altersstruktur: Die Zahl der Personen über 60 Jahre stieg um etwa 20 Prozent an, die der jüngeren Generationen nahm entsprechend ab. Ältere Menschen leben in eher großen Wohnungen, das heißt in Haushalten mit ein bis zwei Personen. Aber auch die jüngeren Bevölkerungsschichten leben immer häufiger in Ein- und Zweipersonenhaushalten. Immer früher ziehe es junge Menschen in einen eigenen Haushalt. Die Energiebilanz von Ein- bis Zweipersonenhaushalten fällt grundsätzlich schlechter aus als die von Drei- und Mehrpersonenhaushalten. Die Zahl der Haushalte stieg bei nahezu stagnierender Gesamtbevölkerungszahl um 5,4 Prozent an.

Der Energieverbrauch je Quadratmeter Wohnung ist dank besserer Technik zwar um etwa zehn Prozent gesunken. Doch die Wohnfläche je Haushalt ist um neun Prozent gestiegen. Das ergibt einen Mehrbedarf an Energie für Raumwärme um 2,8 Prozent. Der Energieverbrauch für Raumwärme macht 76 Prozent des gesamten Energieverbrauchs der privaten Haushalte aus (ohne den Individualverkehr gerechnet). Den Rest teilten sich 1995 die Bereiche Warmwasser und der Einsatz von Elektrogeräten für die Unterhaltung, das Kochen, Bügeln usw. Im Bereich der Elektronikgeräte fällt der Zuwachs des Energieverbrauchs mit 17,3 Prozent besonders deutlich aus und wird damit 2004 zum zweitgrößten Posten. Der Bereich Warmwasser kam 2004 hingegen mit 1,4 Prozent weniger Energie aus als 1995.

Wohnraumansprüche erhöhen den Flächenverbrauch

Daß der Bereich der "sonstigen" Elektrogeräten so stark anstieg, geht auch auf technische Neuerungen zurück. So stieg die Zahl der PC-Anschaffungen signifikant an (+ 213 Prozent), gefolgt von Wäschetrocknern (+ 105,6 Prozent), Geschirrspülmaschinen (+ 102,7 Prozent), Mikrowellengeräten (+ 93,2 Prozent) und Videorecordern (+ 60,5 Prozent). Die immer häufigeren Bereitschaftsschaltungen ("stand-by") und fehlenden Ausschalter kosten ebenfalls mehr Strom.

Der Energieverbrauch, den der Wohnbereich unmittelbar verursacht, machte 2004 etwa 27,3 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland aus. Der direkte Energieverbrauch der Haushalte beträgt aber bei einer umweltökonomischen Gesamtrechnung nur 40 Prozent dessen, was unter Berücksichtigung auch indirekter Ansprüche (durch die Konsumgüterproduktion oder Dienstleistungen) verursacht wird.

Der Individualverkehr wird schon zum direkten Energieverbrauch gezählt. Dieser Sektor stieg um 0,6 Prozent an. Beide Sektoren zusammen, also Wohnen und Individualverkehr, verzeichnen 2004 beim Energieverbrauch eine Zunahme um 1,8 Prozent gegenüber 1995. Obwohl der Energieverbrauch beim Wohnen und Individualverkehr leicht anstieg, nahmen hier die Kohlendioxidemissionen um jeweils etwa zehn Prozent ab. Das wird auf den Einsatz kohlenstoffärmerer Energieträger und von Alternativenergien zurückgefühlt. Bemerkenswert ist, daß der direkte Energieverbrauch der Haushalte mit den Veränderungen der Energiekosten schwankte.

Die demographische Entwicklung und gestiegenen Wohnraumansprüche haben sich aber nicht nur bei der Energiebilanz nachteilig ausgewirkt, sondern noch mehr beim Flächenverbrauch, der um 15,9 Prozent zunahm. Der Anteil der privaten Haushalte an den Siedlungsflächen liegt damit bei 51 Prozent. Bei den Verkehrsflächen ist der Anteil noch höher: etwa 70 Prozent. Beim Wasserverbrauch hingegen wurden die Haushalte sparsamer (-3,1 Prozent). Das Ganze ist keine Schreckensbilanz, aber es werden bislang kaum beachtete Problemzonen benannt.

Die Studie findet sich im Internet unter www.destatis.de/presse/deutsch/pk/2006/ugr_2006b.htm 


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