© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/06 15. Dezember 2006

Dr. Tod regiert in Guben
von Christian Rudolf

Im Jahre 2006 gründete der Heidelberger Plastinator Gunther von Hagens in Guben an der Neiße eine Fabrik, in der öffentlich menschliche Leichen zersägt und Totenschädel aufgesprengt werden. Im Jahre 1878 stiftete der Gubener Hutfabrikant Friedrich Wilke seiner Heimatstadt ein Kinderkrankenhaus, sein Sohn baute seiner Gemeinde die Kirche "Des Guten Hirten".

Die Zeit sozial-karitativer Unternehmer ist lange vorbei, und der Leichenfledderer von Hagens trägt zwar auch Hut und gibt sich als guter Hirte; doch lassen wir uns nicht täuschen: Er kommt als Mietling, der nicht Hirte ist. Mit untrüglichem Instinkt hat er seine Werkstätten in der wirtschaftlich katastrophal gebeutelten und weitgehend säkularisierten Neißestadt errichtet. Zynisch kalkuliert er, daß Menschen, die fünf, mitunter zehn Jahre Arbeitslosigkeit erlitten haben, dankbar nach jedem Strohhalm greifen und nicht lange fragen, welchen Kräften sie da dienen.

Es sind die Mächte der Glaubensfeindlichkeit und des Todes, die Raum greifen immer dann, wenn nicht im Christentum verwurzelte Sittlichkeit ihnen Einhalt gebietet. Solche Sitte fordert es, die Verstorbenen zu begraben. Man soll die Phänomene ernst nehmen: Die Stadt hat von Hagens ihr früheres Rathaus verkauft und die Hallen der ehemaligen Tuchfabrik, einst Stolz des Ortes. Nun regiert dort Dr. Tod. Vor aller Augen, auch Kinderaugen, wird der menschliche Leichnam verdinglicht, zum Ausstellungsstück degradiert und geschändet. Aber noch nie ist Segen aus der Übertretung göttlicher Gebote entstanden.


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