© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/06 15. Dezember 2006

Respekt durch Abgrenzung
Unter Pseudonym schreibt ein arabischer Gelehrter über den Dialog zwischen Islam und Christentum und dessen Mißverständnisse
Klaus Motschmann

Zu den unerschütterlichen Grundsätzen der politischen Kultur unserer sogenannten Zivilgesellschaft gehört der Glaube an die Lösung wichtiger Probleme auf dem Weg des Dialogs. Die Dialogpartner haben im Laufe der letzten Jahrzehnte mehrfach gewechselt. Zur Zeit konzentriert sich das öffentliche Interesse auf den Dialog mit dem Islam.

Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden, sofern man sich bewußt bleibt bzw. im Laufe des Dialogs bewußt wird, worauf der Dialog abzielt: auf die Klärung oder Verklärung anstehender Probleme. Auf den ersten Seiten der Bibel wird uns berichtet, daß der Dialog zur Grundausstattung der Verführungspraktiken gehört. Die Schlange, die "kleine Privatdozentin für Philosophie" (Heinrich Heine), beginnt mit Eva einen "Dialog" über eine Grundfrage der menschlichen Existenz: "Sollte Gott gesagt haben?" - also ein zutiefst ernstes und seriöses religiöses Thema. Der Ausgang dieses "Dialoges" ist bekannt.

Deshalb ist im Laufe der Geschichte immer wieder vor einer bestimmten Art von Dialogen gewarnt worden: vor jenen Dialogen, die darauf abzielen, Gemeinsamkeiten zu betonen, die Unterschiede hingegen im Interesse einer friedlichen Verständigung nicht zu thematisieren. Auf die Unterschiede kommt es aber an, wenn man das Wesentliche, das Entscheidende einer Sache wissen will. "Also muß jemand, der einen anderen täuschen will, ohne dabei selbst getäuscht zu werden, die Ähnlichkeiten der Dinge und ihre Unähnlichkeiten genau auseinanderhalten" (Platon).

Damit ist der Tenor der angezeigten Publikation angesprochen. Er wird bereits im Buchtitel deutlich formuliert, in dem nicht nur auf "überraschende Ähnlichkeiten", sondern auch auf "erstaunliche Unterschiede" in einem Vergleich zwischen Jesus und Mohammed hingewiesen wird. Zu dem schwierigen Dialog zwischen Islam und Christentum liegt damit ein gewichtiger Beitrag vor. Zu erinnern ist an die wochenlangen Auseinandersetzungen um die Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung Jyllands-Posten, an die Regensburger Vorlesung des Papstes oder an die Reaktionen auf dessen kürzlichen Besuch in der Türkei. Der Verfasser unter dem Pseudonym Mark Gabriel, Absolvent mit Promotion und später Dozent der berühmten Al-Azhar-Universität in Kairo, folgt zunächst dem in Westeuropa vorherrschenden Trend, in einem Vergleich der Biographien Jesu und Mohammeds Ähnlichkeiten herauszuarbeiten. Allerdings stellt er nach einer sorgfältigen Gegenüberstellung dieser vordergründigen Übereinstimmungen die Frage nach den Gründen für ein nunmehr fast fünfzehnhundert Jahre andauerndes Spannungsverhältnis zwischen Islam und Christentum. Es erklärt sich für Gabriel - und er erklärt es sehr überzeugend den westlichen Lesern - aus dem von beiden Seiten behaupteten Absolutheitsanspruch ihres Gottes. Allah ist entgegen einem weit verbreiteten westlichem Mißverständnis eben nicht die arabische Übersetzung für "Gott"; und Jesus ist eben nicht ein von den Moslems respektierter Prophet neben anderen, sondern Gottes Sohn und als solcher der Heilsbringer für diese Welt.

Dem "Dialog" zwischen Moslems und Christen sind durch diese Betonung der Unvereinbarkeit beider Gottesverständnisse deutliche Grenzen gesetzt, auf deren Beachtung maßgebende Repräsentanten des Islam - im Unterschied zu christlichen Dialogpartnern - peinlich genau achten. Dabei ist nicht nur an das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen zu denken, sondern auch an das Verhältnis von Muslimen untereinander, vor allem aber an die straffe religiöse Disziplin. Geringfügige Abweichungen von den religiösen Vorschriften, erst recht offene Widersprüche gelten immer noch als Indiz für den Abfall vom Islam. Sie werden deshalb hart bestraft: vom Verstoß aus der Familie über die gesellschaftliche Ächtung bis zu staatlicher Verfolgung.

Gabriel hat alle Stufen eines langen Leidensweges erlebt und muß heute unter falschem Namen im Ausland leben. Er hofft, daß er mit diesem Buch einen Beitrag zu einem echten Dialog leistet, der nicht zur Verklärung im Sinne unserer um sich greifenden Zivilreligion, sondern zur Klärung eines Problems unserer Zeit beträgt.

Mark A. Gabriel: Jesus und Mohammed. Erstaunliche Unterschiede und überraschende Ähnlichkeiten. Resch-Verlag, Gräfelfing 2006, broschiert, 301 Seiten, 13,90 Euro


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