© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/06 15. Dezember 2006

Leserbriefe

Zu: "Pankraz, Deep Fritz und das Ende des Schachspiels", JF 49/06

Kein Vergleich zur Formel 1

Erstens: Pankraz hat sicher recht, tatsächlich werden demnächst im Schach "Computer gegen Computer spielen". Aber was geht uns das an! Es wird Computer-Weltmeisterschaften geben und die (viel interessanteren, weil skandalträchtigeren) Schachweltmeisterschaften zwischen zwei Meistern. Kein 100-Meter-Rekordler käme heutzutage auf die Idee (wie zu den Anfängen der Automobilentwicklung), sich mit der Formel 1 zu messen. Der Vergleich hinkt in keiner Weise, denn auch hier bleibt der Mensch im Spiel; er füttert die Schachcomputer mit Partien, speist sie mit dem Geist Tausender Schachgrößen. Sie sind nichts anderes als gespeicherter, komprimierter (künftig unbesiegbarer) Geist. Nicht das Ende des Schachspiels, wie Pankraz vermutet, wird also eingeläutet, sondern: Endlich können sich Schachfreunde wieder ungeteilt ihrem Spiel widmen, ohne die Ambition, Hydraden schlagen zu wollen.

Zweitens: Pankraz irrt, wenn er schreibt: "Strategie gerinnt zu bloßer Taktik, für welche sich besonders die Dame eignet ..." Nicht die Dame eignet sich besonders dafür (sie ist viel zu präsent), sondern das genaue Gegenteil davon, der unscheinbare Bauer.

Jürgen K. Hultenreich, Berlin

 

 

Zu: "Als Poesie gut" von Peter Lebitsch, JF 49/06

Revolution auf preußisch

Das zu Recht sehr gelobte Buch beginnt mit einem beklagenswerten Fehlstart, den der Rezensent referiert: Die "Denkschrift" stammt nicht von Gneisenau, sondern von Clausewitz; er hat sie auf dem Dienstweg über seinen Vorgesetzten und Freund Gneisenau dem König vorgelegt.

Sie war keine "militärische Denkschrift", sondern der für Preußen und die damalige Zeit revolutionäre Vorschlag, nach dem Beispiel der spanischen Guerilla von Staats wegen den Partisanenkrieg gegen die napoleonische Besetzung Preußens zu organisieren.

Zu dem Vermerk des Königs "Als Poesie gut" schreibt Clausewitz seinem Freunde Gneisenau: "Der König weiß wohl nicht, daß auf Poesie die Sicherheit der Throne gegründet ist." Das ist ein Tiefschlag gegen unsere Apostel der Kopfgeburt des "Verfassungspatriotismus", also ein höchst aktueller Kugelwechsel. Er hat den aufsehenerregenden Schritt angekündigt, den Clausewitz im nächsten Jahre, 1812, wagte: eigenmächtiges Verlassen der Preußischen Armee und Eintritt in die Armee des Zaren.

Dieses sehr preußische Fortissimo hat der von mir hoch geschätzte de Bruyn leider vertan.

Dr. Ehrenfried Schütte, München

 

 

Zu: "Angst vor dem Volk" von Karlheinz Weißmann, JF 49/06

Alimentierende Demokratie

Diesen Artikel über die drei Arten der Demokratie las ich gespannt und wie bei den übrigen Denkarbeiten von diesem geistvollen Autor mit beträchtlichem Gewinn. Mit seiner Darstellung der alimentierenden demokratischen Staatsform und deren Überdehnung im heutigen Deutschland und woanders in Europa bin ich grundsätzlich und mit Bedauern einverstanden. Es ist nicht verwunderlich, daß die Wähler, die sich einst gefallen ließen, Steuern lammfromm zu zahlen und eine selbsterklärte "demokratische" Regierung lobzupreisen, jetzt Bedenken über dieselbe Geschichtserscheinung vorbringen.

Auch in Betracht zu ziehen aber ist die Schwierigkeit, einen Rückzug von dem schon erreichten Niveau von Staatsversorgung zu vollziehen. Aus dem Fortschritt der alimentierenden Demokratie hat sich eine Schwächung, wenn nicht ein Schwund der gemeinschaftlichen Einrichtungen ergeben. Von älteren Verbindlichkeiten und Sozialnetzen zehrt der massendemokratische Verwaltungsstaat; und unter Mithilfe der öffentlichen Bildung und der betulichen Medien setzt der Behemot sich durch. Angesichts des schon Entrückten wäre es schwer, aus dem deutlich zu vernehmenden Murren über die Unzulänglichkeit der Staatsbehörden zu einem Wiederaufleben der älteren bürgerlichen Gesellschaft vorzustoßen.

Was auf die Beschwerden folgen müßte, ist ein lautstarkes Drängen auf zusätzliche staatliche Programme und eine aus den Massen emporsteigende Aufforderung, Einkünfte weiter umzuverteilen. Das liegt schon in der Nähe, wenn das Mißfallen sich erwartungsgemäß Luft macht. 

Prof. Dr. Paul Gottfried, Elisabethtown, USA

 

Teuer für die Opfer

Wer nach Ursachen sucht, um zu erklären, warum die Beherrscher Angst vor den Beherrschten haben, der sollte einmal das Verhalten der Reichsregierungen von 1918 bis 1933 mit dem der Bundesregierungen von 1970 bis jetzt vergleichen. Während der deutsche Bevollmächtigte Graf Brockdorf von Rantzau zur Unterschrift des Versailler Vertrages Handschuhe anzog, um sich symbolisch seine Finger nicht zu beschmutzen, erklärte Außenminister Genscher nach Unterzeichnung des Super-Versailles, zu nichts sei man gezwungen worden, alles habe man freiwillig unterschrieben.

Und während das Abstimmungsergebnis im Bundestag über den Grenzvertrag mit Polen mit Ovationen gefeiert wurde, erklärte die Reichsregierung nach der Annexion Ostoberschlesiens durch Polen, man sei zwar zu ohnmächtig, um das verhindern zu können, versicherte aber feierlich, man werde das zukünftige Schicksal der Landsleute stets im Auge behalten und alles in seiner Macht Stehende tun, um ihre Rechte zu wahren.

Während die Reichsregierung einen Wirtschaftsboykott gegen Polen verhängte, um die polnische Regierung zu zwingen, die eingegangenen Verpflichtungen bezüglich der Minderheitenrechte einzuhalten beziehungsweise zu erfüllen, erklärte Bundespräsident Herzog den Vertriebenen zum Tag der Heimat in Berlin, sie hätten sich mit den bestehenden Verhältnissen abzufinden (er wurde dafür als Verräter beschimpft). Und Bundeskanzler Schröder erklärte ein paar Jahre später, die Regierung habe andere Prioritäten.

Als die Bundesregierungen als Lastenausgleich fünfzig Milliarden Mark aufbrachten, zahlte Kohl an die Vertreiberstaaten allein für ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung mit Mitteldeutschland 200 Milliarden. Mit den vorher schon gezahlten Finanzhilfen (als Entschädigung deklariert) und weiter über die EU zu zahlenden deutschen Mittel - ein Ende ist nicht abzusehen - haben die Opfer und ihre Nachkommen über ihre öffentlichen Abgaben mehr an die Täter gezahlt, als sie jemals als Entschädigung erhalten haben!

Bernhard Kaiser, Halle/Westfalen

 

 

Zu: "Polnische Sicht stärken" von Matthias Bäkermann, JF 49/06

Verbrechen bleibt Verbrechen

Lenin soll gesagt haben, man muß den Kapitalisten den Strick nur geben, dran aufhängen werden sie sich schon selbst. Aber wir Deutschen bezahlen ihn sogar noch, bevor wir ihn uns um den Hals legen.

Jetzt soll also endgültig bewiesen werden, geschichtlich und mit deutscher Hilfe, daß Polen sich mit Fug und Recht bis an die Oder und darüber hinaus - Stettin, Swinemünde - ausgedehnt hat. Daß die Vertreibung der Deutschen, Mord und Totschlag inbegriffen, legitim war und daß alles ganz alleine Hitler zu verdanken war.

Polnische Bemühungen im neunzehnten Jahrhundert außer acht lassend, ist festzustellen, daß Polen durch das ganze zwanzigste Jahrhundert hindurch alles getan hat, mit Unterstützung Englands und Frankreichs, um das herbeizuführen, was es jetzt hat. Was die polnische Hinwendung zum Zweiten Weltkrieg einschließt, kann mühelos belegt werden. Den amorphen Zustand des politischen Deutschland verantworten sie nicht, ihn auszunutzen reicht aber schon. Dennoch bleibt das Vertreibungsverbrechen an Millionen Deutschen ein Verbrechen, und davon etwas zu verwischen, ist aus polnischer Sicht die Bemühungen allemal wert.

Dietlinde Bonnlander, Imst, Österreich

 

 

Zu: "Die Augen geöffnet" von Wolfgang Fenske, JF 49/06

Trauen könnte ich ihm nicht

In der Sache Klaus Berger scheint es jetzt viele zufriedene Gesichter zu geben: Die römisch-katholische Kirche hat einen Steuerzahler zurückgewonnen. Die Heidelberger Evangelische Fakultät erinnert sich an einen interessanten Paradiesvogel. Berger selbst hat sich ja laut JF einen Lebenstraum erfüllt. Was für eine Theologie mag er in Heidelberg gelehrt haben: römisch-evangelisch? Oder eher protest-katholische? Auf der Strecke geblieben ist allerdings die Wahrhaftigkeit. Sollte mir künftig ein Buch von Berger in die Hände fallen, trauen könnte ich ihm nicht.

Prof. Dr. Bernhard Forssman, Erlangen

 

 

Zu: "Schachzüge der Kanzlerin" von Karl Feldmeyer, JF 49/06

Gerechtigkeitslücke

Warum muß Rüttgers' Initiative ein "Fallstrick" für die Kanzlerin sein? Könnte es nicht sein, daß er die Gerechtigkeitslücke sieht und deren verheerende Wirkung auf die Bevölkerung? Wer Beiträge enteignet und Arbeitslose, die jahrzehntelang eingezahlt und mit ihren Steuern den Staat aufgebaut haben, binnen verhältnismäßig kurzer Zeit mit Sozialhilfeempfängern gleichstellt, macht auch mehr.

Simon Aumeier, Weiden

 

 

Zu: "Nikolaus hat Hausverbot" von Matthias Bäkermann, JF 49/06

Traditionen hegen und pflegen

Auch unsere Musik ist ein Stück Kulturgut, und man sollte sie demnach hegen und pflegen. Um so mehr muß ich beim Einkaufen verschiedener Medien- und Supermärkte die traurige Erfahrung machen, daß hier von früh bis spät statt deutscher nur englische Popmusik ertönt. Schließlich leben wir in Deutschland, darum sollte man sich nicht gleich fremden Kulturen unterwerfen, sondern auch mal etwas mehr Nationalstolz und Patriotismus aufbringen, wie es bei manchen anderen Nationen der Fall sein dürfte.

Georg Kitowski, Bochum

 

 

Zu: "Verhört, gefoltert und dann nach Sibirien" von Steffen Königer, JF 48/06

Methoden des Totalitarismus

Ihr Artikel über das ehemalige KGB-Gefängnis in Potsdam mit den schrecklichen Bildern hat mich an die schlimmste Zeit meines Lebens erinnert, die ich dort - für meine Angehörigen spurlos verschwunden - von April bis September 1952 verbracht habe.

Nach Wochen qualvoller Untersuchungshaft und nächtelangen Verhören unter Schlafentzug und schwerer psychischer und physischer Belastung wurde ich zusammen mit sechs weiteren Angeklagten - fünf ehemaligen Schulkameraden und einem mir bis dahin Unbekannten - in einem Geheimprozeß von einem sowjetischen Militärgericht verurteilt. Vier meiner Kameraden wurden zum Tode verurteilt, wir anderen drei zu je 25 Jahren Zwangsarbeit.

Drei der Todesurteile wurden am 23. Oktober 1952 in Moskau vollstreckt, wie erst sehr viel später bekannt wurde. Das vierte wurde in eine 20jährige Haftstrafe umgewandelt. Erst im Jahr 1959 wurde den Eltern der beiden hingerichteten Schulkameraden mitgeteilt, ihre Söhne seien in der Sowjetunion verstorben, am 23. Oktober 1954 der eine, am 23. Oktober 1955 der andere. Wir, zwei meiner Kameraden und ich, kehrten um die Jahreswende 1955/56 nach den Moskau-Verhandlungen Konrad Adenauers nach Deutschland zurück. Die meiste Zeit unserer Haft hatten wir in den Kohlegruben Workutas verbracht. Ein Schulfreund war bereits Ende 1953 entlassen worden.

Im Abschlußbericht der russischen militärischen Hauptstaatsanwaltschaft vom 24. Januar 1996 heißt es unter anderem: "In der Sache finden sich keine tatsächlichen Beweise für die erhobenen Spionagevorwürfe oder für andere ungesetzliche Handlungen, wegen denen sie verurteilt wurden." Abschließend wird festgestellt: "Nach Untersuchung der Handlungen der verurteilten deutschen Bürger ergibt sich aus den Darlegungen der Schluß, daß (es folgen die sieben Namen) auf der Grundlage des Punktes A, Artikel 3 und 5 des Gesetzes der Russischen Föderation 'Über die Rehabilitierung der Opfer politischer Repression' vom 18. November 1991 der Rehabilitierung unterliegen."

Das ist nur ein Fall unter vielen. So wurden in der DDR wie in anderen kommunistischen Staaten die Lebensperspektiven unzähliger Menschen auf irgendeine Weise zunichte gemacht. Bei der Wertung der kommunistischen Verbrechen sollte die Sicht aber nicht auf die Person Stalins verengt werden. Im Laufe der Jahre wurden zwar die Methoden verfeinert, aber die Netze der Überwachung und Unterdrückung wurden immer enger. Das Ziel blieb immer dasselbe: die totalitäre Herrschaft des kommunistischen Parteiapparates. Aus diesem Grunde ist es zur Sicherung der Demokratie sehr wichtig, besonders die Jugend über die Wirkungsmechanismen der totalitären Regime im rechten wie im linken Spektrum aufzuklären.

Prof. Dr. Hans Günter Aurich, Marburg

 

 

Zu: "Verbürgte Freiheit" von Heinz Odermann, JF 48/06

Fortsetzung des Krieges

Odermanns Analyse unserer Verhältnisse scheint mir etwas unvollständig zu sein, weil er alles auf das kapitalistische Wirtschaftssystem und den naturwissenschaftlichen Fortschritt schiebt.

Gastarbeiter kamen aus Italien, Spanien und Jugoslawien, nicht aber aus Afrika und dem Orient. Die Türken wurden uns von den USA aufgenötigt, weil die Türkei der Eckpfeiler der Nato war. Die Freizügigkeit der Türken haben wir Konrad Adenauer zu verdanken.

In Umkehrung des bekannten Clausewitz-Wortes können wir sagen: "Die Politik ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln." Für Franklin D. Roosevelt war die Aufhebung der rassischen Exklusivität des deutschen Volkes sein Kriegsziel number one, und das Reich sollte nicht nur zerstört werden, das Wort allein müsse aus dem Wortschatz verschwinden. Auf die Frage, was denn mit den Deutschen geschehen solle, die aus den Gebieten, die an Polen fallen sollten, vertrieben würden, antwortete Churchill: "Wir werden sie rösten!" Der erschreckende Geburtenschwund ist auch nicht auf wirtschaftliche Zwänge zurückzuführen, wie die gesetzlich erlaubte Abtreibung beweist. Auf Urteile des Bundesverfassungsgerichtes haben die etablierten Parteien bisher nicht reagiert!

Friedrich Brunner, Sottrum

 

Zu: "Die Lebensfahrt in den Tod" von Manfred Müller, JF 47/06

Die Gebeine des Walter Flex

Die Gebeine des am 16. Oktober 1917 auf der Insel Ösel gefallenen Dichters Walter Flex wurden 1940, wohl im Zusammenhang mit der Aussiedlung der Volksdeutschen aus dem Baltikum, nach Königsberg überführt und mit umfangreichen Feierlichkeiten im November 1940 auf dem Neuen Militärfriedhof an der Tapiauer Straße beigesetzt. Das Löbenichtsche Realgymnasium hatte wohl eine Art Patenschaft für das Grab übernommen und legte an den Gedenktagen dort Blumen nieder. Der Friedhof war im Jahre 2001 und auch schon längere Zeit vorher nicht mehr als solcher zu erkennen.

Gerhard Mannke, Elmshorn

 

Zum Thema Föderalismus

Der Irrsinn des Föderalismus

Die Kleinstaaterei in Deutschland kostet den Bürger Milliarden. Die Kosten für die Länderparlamente und Regierungen kann jeder beim Statistischen Bundesamt nachlesen. Ansonsten gibt es noch zahlreiche Gebiete, bei denen man auf den Irrsinn der Ländereinteilungen hinweisen kann. Hier soll nur beispielhaft auf den Bildungsnotstand und damit auf das fehlende Bildungsministerium, auf die Bekämpfung der Kriminalität mit einheitlicher Polizei und auf den geplanten Ausbau der Nordseehäfen Hamburg, Wilhelmshaven und Emden hingewiesen werden. Bei einer länderübergreifenden Umweltschädigung muß der Bund Kompetenz erhalten, um dort regulierend eingreifen zu können.

Die Grundlage des Föderalismus wurde schon im Mittelalter gelegt, vor allem unter dem Staufer Friedrich II., der für seine Italien- und Sizilien-Politik in Deutschland den Rücken frei haben wollte. Ähnlich wie damals versuchen auch heute die Landesfürsten dem Bund möglichst viele Rechte abzutrotzen, ohne Sinn und Verstand, nur um ihre Machtbasis finanziell und politisch zu verbreitern.

Der Föderalismus sollte in Form einer Volksabstimmung auf die Probe gestellt werden. Ohne diese Kleinstaaterei hätten wir Milliarden übrig für soziale Aufgaben und eine bessere Bundesbildungspolitik. Es ist daher dringend erforderlich, daß die jetzige Form des Staates durch eine zentrale Ordnung reformiert wird.

Dr. med. Konrad Voigt, Berlin


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