© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/06 01/07 22./29. Dezember 2006

Irrationales Element
von Günther Deschner

Es hat den Anschein, daß der Machtkampf zwischen den Organisationen Fatah und Hamas an Schärfe zunimmt. Zwar sind ihre Führer, der vom Westen favorisierte Staatspräsident Mahmud Abbas und der Hamas-Premier Ismail Haniyeh, bestimmt nicht an einem Bürgerkrieg interessiert. Doch beide haben die vielen Fraktionen, Gruppen und Milizen ihrer Lager immer weniger unter Kontrolle. Eine palästinensische "Autorität" gibt es nicht mehr. Ein Funke kann den Bürgerkrieg auslösen.

Entscheidender als alle internen Querelen bleibt die alles Leben in den Palästinensergebieten strangulierende Politik Israels. Sie hat aus dem Gazastreifen das größte Freiluftgefängnis der Welt gemacht. Israel hat den Bau eines Hafens verhindert, die Küste blockiert, den Fischfang verboten, den Flughafen, der zu Oslo-Zeiten gebaut wurde, bombardiert und stillgelegt, den ganzen Streifen durch eine Mauer abgeriegelt. Nachdem man ihnen vor einem Jahr Wahlen aufgenötigt hatte, die meisten Palästinenser ihren eigenen Willen aber nach US- und EU-Meinung "falsch" erkannt hatten, versiegten die Hilfsgelder. In den vergangenen sechs Jahren hat Israel im Gazastreifen 2.300 Palästinenser getötet, Zehntausende verstümmelt und verletzt. Angst, Armut, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und eben auch ein daraus resultierendes irrationales Element machen heute Sein und Dasein der Palästinenser aus. Sich darüber zu wundern, wäre ein obszöner Akt des politischen Zynismus.


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