© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/06 01/07 22./29. Dezember 2006

Frisch gepresst

Völkermord. Es ist schon ein gewaltiger Sprung, den Asfa-Wossen Asserate, ein Prinz aus äthiopischem Kaiserhaus, als Autor unternimmt: von seinem Kassenschlager über im deutschen Alltag weitgehend abhanden gekommene "Manieren" (2003) zu dem recht unmanierlichen Thema "Völkermord". Zusammen mit dem jüdischen Historiker Aram Mattioli (Luzern) versammelt er als Mitherausgeber ein Dutzend Historiker, um die Folgen von Mussolinis größenwahnsinnigem Unternehmen zu untersuchen, das Mittelmeer als "Mare nostrum" einzukreisen und dieses neurömische Imperium durch ein afrikanisches Kolonialreich abzustützen. Das plakative Titel "Der erste faschistische Vernichtungskrieg" (Die italienische Aggression gegen Äthiopien 1935-1941, SH Verlag, Köln 2006, gebunden, 197 Seiten, 29,80 Euro) formuliert die These, um deren Bestätigung sich die Verfasser sämtlicher Aufsätze bemühen.

Islam in Europa. Gleich zum Auftakt des Sammelbandes "Der Islam in Europa" (Urs Altermatt, Mariano Delgada und Guido Vergauwen, Hrsg.: Zwischen Weltpolitik und Alltag. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2006, broschiert, 358 Seiten, 34 Euro) ist der langjährige Nahost-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, Arnold Hottinger, um Klärung der Fronten bemüht. Alles multikulturelle Geschwätz ignorierend, stellt Hottinger fest, daß es in Europa islamische Parallelgesellschaften gibt, die keine "Bereicherung", sondern primär eine Bedrohung darstellen, die durch die gegenwärtige US-Politik erheblich zugenommen habe. Bassam Tibi, der hier einmal mehr seinen "Euroislam" feilbietet, und Gilles Kepel, obgleich französischer Zionist, wollen hingegen an ihren Integrationsillusionen weiterhin festhalten. Die Mehrzahl der Beiträger, die sich auf neutralem Boden auf dem Internationalen Religionsforum der schweizerischen Universität Fribourg austauschten, pflichtet ihnen darin bei.

Skandinavisch. Der Diplompädagoge Michael Pfeiffer untersucht in seinem aktuellen Buch die Ursachen für den Erfolg des so oft gepriesenen finnischen Schulsystems und kommt dabei am Ende zu einer überraschend realistischen Einschätzung: Auch Finnland hat trotz bester Ergebnisse der Pisa-Studie gewisse schulpolitische Defizite. Trotzdem ließen sich seiner Meinung nach aus dem finnischen Bildungssystem zahlreiche Lehren für das deutsche ableiten. Beispielsweise daß der Bildungsgrad nicht zwangsläufig vom sozialen Milieu abhängig sein muß. Allerdings unterschätzt er die grundverschiedenen Ausgangsbedingungen beider Länder: Ein ethnisch relativ homogenes Fünf-Millionen-Volk wie das finnische ist nicht vergleichbar mit der 82-Millionen-Bevölkerung des zusätzlich von Integrationsproblemen geplagten Deutschland (Bildung auf finnisch: Anspruch. Wirklichkeit. Ideal - nach Pisa. P. Kirchheim Verlag, München 2006, broschiert, 119 Seiten, 11,50 Euro).


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